Verfassungsschutz allgemein

Der Terrorangriff der HAMAS auf Israel und die Folgen hierzulande – erste Reaktionen extremistischer Szenen auch in Baden-Württemberg

Am 7. Oktober 2023 hat die islamistische Terrororganisation HAMAS in einem bisher beispiellos brutalen Angriff den Staat Israel angegriffen und dabei über 1.400 Menschen ermordet. Zudem verschleppte die HAMAS über 230 Menschen – darunter auch deutsche Staatsbürger –, deren genaues Schicksal derzeit größtenteils unbekannt ist; eine niedrige einstellige Zahl der Geiseln wurde inzwischen wieder freigelassen. In Folge dieses Terrorangriffs bombardiert Israel seither den von der HAMAS kontrollierten Gazastreifen und hat am vergangenen Wochenende seine Bodeneinsätze verstärkt. Der erneut eskalierende Nahostkonflikt führte weltweit zu Reaktionen, auch von Extremisten in Deutschland und Baden-Württemberg. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hat am 9. Oktober 2023 eine Sonderorganisation eingerichtet, die die Auswirkungen auf die extremistischen und terroristischen Gruppierungen in Baden-Württemberg fortlaufend beobachtet. Die Sonderorganisation des LfV steht hierzu mit dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg in einem regelmäßigen Austausch.

Die als Terrororganisation eingestufte HAMAS ist ein palästinensischer Ableger der ägyptischen „Muslimbruderschaft“ (MB) und hat die Zerstörung Israels, Befreiung Palästinas und Errichtung eines islamischen Staates nach dem Vorbild des islamischen Rechts („Scharia“) zum Ziel. Israel hat nach dem Terrorangriff die komplette Zerschlagung von HAMAS-Strukturen im Gazastreifen, aus dem heraus die Organisation agiert, angekündigt und reagiert bislang mit einer fast vollständigen Blockade des Gazastreifens und Gegenangriffen vor allem aus der Luft und auch am Boden. Wegen der dichten Besiedelung und weil die HAMAS teils zivile Gebäude nutzt, bleiben auch zivile Opfer nicht aus. 

In der nachfolgenden Auswahl erster Reaktionen von Extremisten bundesweit und in Baden-Württemberg werden auch einzelne Akteure aus dem Ausland berücksichtigt, sofern sie Wirkung auf hiesige extremistische Szenen entfalten können. Aufgrund der dynamischen Entwicklung kann die Intensität der Reaktionen in den nächsten Wochen noch zunehmen, gleichzeitig könnten sich einzelne Akteure bemühen, ihre ersten Reaktionen im Nachhinein zu relativieren. Extremisten stehen mit ihren Reaktionen auf das Geschehen in Nahost im Spannungsfeld von Innenwirkung auf die eigene Klientel und öffentlicher Außenwirkung. 

Islamismus

Die HAMAS verfügt in Deutschland über keine offiziellen Strukturen und ihre Sympathisanten treten in der Regel nicht offen auf. Es sind hierzulande keine öffentlichen Reaktionen von HAMAS-Sympathisanten bekannt geworden; jedoch gibt es seitens verschiedener szenerelevanter Organisationen und prominenter Islamisten, die vom Ausland aus agieren und nach Deutschland hineinwirken, in sozialen Medien öffentliche Reaktionen zu den Geschehnissen im Nahen Osten. 

Akteure der „Muslimbruderschaft“ (MB) in Deutschland, deren Interessen vor allem die „Deutsche Muslimische Gemeinschaft“ (DMG) vertritt, haben sich bislang offiziell nicht zum Angriff der aus der MB hervorgegangenen HAMAS geäußert. MB-nahe Strukturen auf europäischer Ebene äußerten sich selten und das zurückhaltend. Die ägyptische MB veröffentlichte hingegen mehrere Statements auf X (vormals Twitter), in denen sie den „Widerstand“ des palästinensischen Volkes lobte, das Vorgehen der „heldenhaften Mujahedin“ (Anmerkung: islamistische Krieger im Kampf gegen Andersgläubige) verherrlichte und Allah um deren Sieg bat. Die MB-nahe „International Union of Muslim Scholars“ (IUMS) startete umgehend einen Livestream auf der Videoplattform YouTube, in dem sich Gelehrte weltweit für die HAMAS aussprachen und zur Unterstützung aufriefen. Gastredner war Ismael HANIYYA, politischer Führer der HAMAS, der Muslime weltweit zur finanziellen Unterstützung und zur Beteiligung am Kampf gegen Israel aufrief. Es ist davon auszugehen, dass die Äußerungen der ägyptischen MB und der IUMS auch unter MB-Anhängern in Baden-Württemberg thematisiert werden. Die Reaktionen von Vertretern der MB im Ausland zeigen einmal mehr, dass sich die MB als islamistische Strömung nicht glaubhaft von Gewaltanwendungen distanziert. 

Weitere Reaktionen kamen von den Gruppierungen „Realität Islam“, „Generation Islam“ und „Muslim Interaktiv“. Sie sind der palästinensisch-islamistischen Hizb-ut-Tahrir (HuT) zuzuordnen, die seit 2003 in Deutschland verboten ist. In Instagram-Beiträgen der Gruppierungen wird Israel als eigentlicher und alleiniger Aggressor dargestellt, der „Terroranschläge“ und „Massaker“ am palästinensischen Volk verübe. Mit stark emotionalisierenden Bildern und Videos wird die leidende palästinensische Zivilbevölkerung in direkten Zusammenhang mit einer angeblichen Doppelmoral und Muslimfeindlichkeit der deutschen Politik gebracht. So kann ein Opfer-Narrativ bei Muslimen hierzulande aufgebaut beziehungsweise verstärkt sowie eine leichtere Mobilisierung bewirkt werden. Die hauptsächlich online verbreiteten Botschaften HuT-naher Organisationen werden insbesondere in den islamistischen Szenen konsumiert, wirken jedoch auch in nicht-extremistische muslimische Gemeinschaften in Deutschland und Baden-Württemberg hinein. 

Am 22. Oktober 2023 hat „Generation Islam“ eine propalästinensische Veranstaltung mit circa 1000 Personen am Berliner Alexanderplatz veranstaltet. Dabei handelte es sich um die hierzulande erste aus der islamistischen Szene heraus organisierte und polizeilich genehmigte Großveranstaltung. Durch solche Veranstaltungen kann Anschlussfähigkeit auch außerhalb des islamistischen Spektrums und damit ein hohes Mobilisierungspotenzial erreicht werden.

In der deutschsprachigen salafistischen Szene ist angesichts des neu aufgeflammten Nahostkonflikts insgesamt größtenteils eine allgemeine Zurückhaltung zu beobachten. Bislang haben sich nur einzelne überregional bedeutsame Prediger öffentlich geäußert. So nannte der Berliner Salafist Ahmad ARMIH, bekannt als Ahmad ABUL BARAA, in seinem YouTube-Kanal den von ihm als „Militäroperation“ der HAMAS bezeichneten Terrorangriff auf Israel ein Einzelvorkommnis, dem er den jahrzehntelangen „Terror“ Israels gegen das palästinensische Volk gegenüberstellte. Das palästinensische Volk agiere aus einer Position der Ohnmacht und habe keine andere Möglichkeit, als terroristische Mittel zu nutzen. ABUL BARAAs Äußerungen sind dazu geeignet, bei seiner Zuhörerschaft, die er auch in Baden-Württemberg hat, die Akzeptanz von Terroranschlägen als legitimes Mittel des politischen Widerstands zu fördern. 

Außerdem bedient ABUL BARAA unter Islamisten verbreitete antisemitische Narrative. Beispielsweise behauptete er – analog zu der seit dem Mittelalter verbreiteten Verschwörungserzählung, derzufolge Juden Brunnen vergiften würden –, Israel, das alleine über die Wasserzufuhr für den Gazastreifen bestimme, habe das Wasser oft absichtlich unbrauchbar gemacht, um die Palästinenser zu vergiften. In Anlehnung an die neuzeitliche Erzählung einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung verbreitete er zudem das antisemitische Narrativ einer vollständigen jüdischen Kontrolle der Medien, konkret des Axel-Springer-Verlags als „die übelsten Zionisten, die es überhaupt gibt“. Allgemein äußerte er sich zu den „zionistischen Medien, die uns abgrundtief hassen“. 

Aus dem türkeibezogenen islamistischen Spektrum gab es unter anderem Reaktionen von mehreren Funktionären der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e. V.“ (IGMG) auf Facebook.

Bei nicht von Islamisten angemeldeten oder organisierten propalästinensischen Kundgebungen in Baden-Württemberg wurden zudem vereinzelt antisemitische Parolen mit islamistischem Bezug und unterschwelligen Gewaltaufrufen festgestellt. Für eine Kundgebung in Karlsruhe am 10. Oktober 2023 zeigen Beiträge in sozialen Medien, dass mehrere Teilnehmer aus der Menge heraus in Arabisch „Khaybar, Khaybar ya Yahud, jaish Muhammad sa-ya’ud“ (deutsch: Khaybar, Khaybar oh Juden, die Armee Muhammads wird zurückkehren) skandierten. Der Ruf bezieht sich auf einen historischen Feldzug des Religionsstifters des Islam Muhammad gegen die jüdische Gemeinde in der Oase Khaybar; er ist als Androhung der Tötung und Unterwerfung von Juden zu verstehen und als antisemitisch zu werten. Den Ruf nutzen vor allem Islamisten und ihre Unterstützer. Aber auch nicht-islamistische Akteure, die ein gewaltsames Agieren gegen den Staat Israel befürworten, verwenden diese Parole. Zudem war auf derselben Kundgebung der Ausruf „´asr al-sahyuni damar“ (arabisch für: Die Ära des Zionismus ist zerstört) zu hören, durch den ein baldiges Ende des Staates Israel behauptet wird. 

Am 20. Oktober 2023 gab es in Karlsruhe eine weitere propalästinensische Demonstration, auf der antisemitische Aussagen getroffen wurden. Dort wurden auch Solidaritätsbekundungen mit der HAMAS in die Menge gerufen. So fielen Sätze wie: „wir wollen im Haus al-Aqsa sterben!“ oder „Abu Obayda […] wir hören die Sirenen!“. Der erste Satz ist als Aufruf zum Märtyrertod im Kampf um die Al-Aqsa-Moschee, eine der wichtigsten heiligen Stätten im Islam, in Jerusalem zu verstehen, und stellt einen direkten Bezug zu den andauernden gewaltsamen Ausschreitungen zwischen israelischen Sicherheitskräften und der palästinensischen Bevölkerung um die Moschee her. Der Verweis auf Abu OBAYDA führt noch einen Schritt weiter: Er ist der Sprecher des militärischen Arms der HAMAS, der Qassam-Brigaden, die den brutalen Terrorangriff am 7. Oktober auf Israel durchgeführt haben. Die Sirenen beziehen sich wiederum auf die Raketen, die von der HAMAS aus dem Gazastreifen auf Israel abgeschossen werden, und mit dieser Aussage befürwortet werden. 

Bei einer propalästinensischen Demonstration in Stuttgart am 22. Oktober 2023 wurden die HAMAS-Kämpfer in Gaza, die sich israelischen Patrouillenfahrzeugen in den Weg stellen, von ganzem Herzen gegrüßt. Zudem rief ein Redner: „wo sind die Revolutionäre (Anmerkung: gemeint sind islamistische Glaubenskämpfer, die ihr Leben für die Befreiung Palästinas und die Vernichtung Israels opfern)? Palästina muss zurückkehren! Die grüne Flagge senkt sich auf die Grenze (Anmerkung: zu Israel). Oh, unser Paradies, öffne deine Tore! Die Märtyrer Gazas sind unter den Besuchern“. Mit der „grünen Flagge“ könnte die Flagge der HAMAS gemeint sein. Ein anderer Redner rief zur Verteidigung Palästinas mit „Seele und Blut“ auf, ein Gedanke, der bei den propalästinensischen Demonstrationen weit verbreitet ist und sich in eine lange Historie palästinensischen, auch militanten, Widerstands einreiht. Diese Aussagen können als Aufruf zum bewaffneten Kampf gegen Israel verstanden werden. 

Es sind Aussagen wie diese, die zeigen, dass eine dezidierte Auseinandersetzung mit dem aktuellen Demonstrationsgeschehen wichtig ist, wobei jedoch nicht jede propalästinensische Kundgebung durch islamistische Narrative und Antisemitismus auffällt. Ob sich derartige Parolen in Zukunft verfestigen und regelmäßig auf Kundgebungen gerufen werden, bleibt zum jetzigen Punkt abzuwarten.

Auslandsbezogener Extremismus

Die aktuellen Ereignisse im Nahen Osten nach dem brutalen Terrorangriff der HAMAS auf Israel werden in weiten Teilen des Phänomenbereichs Auslandsbezogenen Extremismus und Terrorismus verfolgt und aufgegriffen. Dabei fallen die Reaktionen aus diesen extremistischen Milieus unterschiedlich aus.

In der türkisch-rechtsextremistischen „Ülkücü“-Ideologie ist Antisemitismus ein Kernelement. Hinzu tritt ein ausgeprägter Antizionismus, der sich in Bezug auf vergangene Nahostkonflikte und auch angesichts des aktuellen Konflikts als einseitige Parteinahme für Palästina manifestiert. Insbesondere die sogenannte „freie Ülkücü-Szene“, der nicht verbandlich organisierte und zum Teil gewaltbereite Einzelpersonen zugerechnet werden, positioniert sich aktuell in den sozialen Medien deutlich für die palästinensische Seite. Neben Aufrufen zur Teilnahme an propalästinensischen Demonstrationen, auch in Baden-Württemberg, werden stark emotionalisierende Bilder und Videos von mutmaßlich palästinensischen Opfern des Konfliktes geteilt. Gleichzeitig wird Israel als Urheber des Konflikts und „Besatzer“ der palästinensischen Gebiete dargestellt.

Innerhalb der türkisch-linksextremistischen Ideologien spielt Antisemitismus keine bedeutende Rolle, da andere Feindbilder im Vordergrund stehen und in der Regel auch keine regionalen, religiösen oder politischen Berührungspunkte bestehen. Lediglich bezogen auf den Territorialkonflikt zwischen Israel und Palästina wird der israelische Staat auch hier meist als „Besatzer“ Palästinas wahrgenommen und abgelehnt. Im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Konflikt solidarisieren sich vor allem türkisch-linksextremistische Jugendorganisationen, wie beispielsweise „Young Struggle“, die der „Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei“ (MLKP) zugeordnet wird, mit Palästina und mobilisieren verstärkt für propalästinensische Demonstrationen, unter anderem in der Landeshauptstadt Stuttgart. Vereinzelt äußern Gruppierungen aus diesem Spektrum in den sozialen Medien aber auch Kritik an den Angriffen der HAMAS auf israelische Zivilisten und distanzieren sich von deren Taten. 

Auch in der Ideologie der kurdisch-extremistischen „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK), die im Nahostkonflikt generell auf der Seite des Palästinensischen Volkes steht, hat Antisemitismus keine große Bedeutung. In Baden-Württemberg sind kaum Reaktionen aus der PKK-nahen Szene auf den aktuellen Nahostkonflikt wahrzunehmen. Grundsätzlich werden Taten der HAMAS aber auch die des israelischen Staates gegen die Zivilbevölkerung verurteilt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass hinsichtlich der derzeitigen Ereignisse in Nahost innerhalb türkisch-rechtsextremistischer, türkisch-linksextremistischer und kurdisch-extremistischer Organisationen überwiegend eine propalästinensische Haltung vorherrscht, die teilweise mit einer antisemitischen Grundeinstellung einhergeht.

Linksextremismus

In den Reaktionen der linksextremistischen Szene in Baden-Württemberg auf den Terrorangriff der HAMAS vom 7. Oktober 2023 zeigen sich derzeit überwiegend propalästinensische Positionen, wenngleich diese nicht als Solidaritätsbekundung für die HAMAS missverstanden werden dürfen. So hat bislang, mit dem Verweis auf „faschistische“ Strukturen, eine deutliche Abgrenzung gegenüber der HAMAS stattgefunden. Zudem ist mehrheitlich eine klare Positionierung der hiesigen linksextremistischen Szene gegen Antisemitismus zu beobachten. Die aktuellen Solidaritätsbekundungen des linksextremistischen Spektrums gelten nach eigenen Angaben „revolutionären“ Kräften innerhalb des Konflikts – den ideologischen Grundlagen der Szene entsprechend, völlig unabhängig davon, welcher Volksgruppe diese zugeordnet werden.

Nichtsdestotrotz wird in weiten Teilen des linksextremistischen Spektrums das politische Agieren Israels als „imperialistisch“ kritisiert und folglich ein palästinensischer „Befreiungskampf“ als legitim erachtet. Dementsprechend sind online veröffentlichte Kommentare einzelner Gruppierungen mehrheitlich propalästinensisch ausgerichtet. So kritisierten etwa baden-württembergische Ortgruppen der beiden linksextremistischen Parteien „Deutsche Kommunistische Partei“ (DKP) und „Marxistisch Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD) das Vorgehen Israels und positionierten sich auf Seiten der Palästinenser. Ebenso wurden überwiegend Mobilsierungen für und Teilnahmen an propalästinensischen Kundgebungen festgestellt. Demnach unterstützten beispielsweise mehrere Gruppierungen aus dem gewaltorientierten linksextremistischen Spektrum unter dem Motto „Stoppt den Genozid in Gaza! Solidarität mit allen unterdrückten Völkern!“ eine Demonstration des Palästina-Komitees (PaKo) Stuttgart, das aktuell als Organisator mehrere propalästinensischer Demonstrationen auftritt, am 21. Oktober im Stuttgarter Stadtgarten, darunter das „Offene Treffen gegen Krieg und Militarisierung“ (OTKM) Stuttgart sowie die „Revolutionäre Aktion Stuttgart“ (RAS); auch das „Offene Antifaschistische Treffen Rems-Murr Kreis“ (OAT RM) hatte zur Teilnahme an der Demo aufgerufen. Daneben finden Solidaritätsbekundungen für das propalästinensische Netzwerk „Samidoun“ statt, etwa durch das OTKM Stuttgart. Die Organisation „Samidoun“ bezeichnet sich als „Solidaritätsnetzwerk für palästinensische Gefangene“ und konzentriert sich auf die Forderung nach Freilassung von Palästinensern, die – auch aufgrund von Verbindungen zum Terrorismus – in Israel in Haft sind. Nach Demonstrationen in Berlin am 7. Oktober 2023, bei denen antisemitische und volksverhetzende Parolen skandiert worden waren, hat das Bundeskanzleramt ein Verbot von „Samidoun“ in Deutschland angekündigt.

Inwieweit sich die linksextremistische Szene in Baden-Württemberg weiterhin aktiv in den deutschen Diskurs um die aktuellen Entwicklungen im Nahostkonflikt einbringt, bleibt abzuwarten und ist, ähnlich wie in den anderen Phänomenbereichen, in Umfang und Ausmaß abhängig vom weiteren Vorgehen der Konfliktparteien.

Rechtsextremismus

Die rechtsextremistische Szene in Baden-Württemberg kommentiert den beispiellosen Terrorangriff der HAMAS auf Israel bislang uneinheitlich. Dabei ist Antisemitismus ein Kernelement der neonazistischen Ideologie und die neonazistische Szene nimmt folglich im Allgemeinen israelfeindliche Positionen ein. Gleichzeitig ist die rechtsextremistische Szene aber grundsätzlich migrationsfeindlich eingestellt und wendet sich speziell gegen Zuwanderung aus muslimischen Ländern. Reaktionen der rechtsextremistischen Szene waren bisher nur im Internet feststellbar; zu Aktionen in der Realwelt kam es bislang nicht.

Ein Beispiel für die israelfeindliche Haltung der Szene lieferte kurz nach dem HAMAS-Angriff vom 7. Oktober 2023 die neonazistische Kleinpartei „Der III. Weg“. Auf ihrer Homepage veröffentlichte sie am 11. Oktober 2023 einen Beitrag mit der Überschrift „Nahost-Konflikt: Krokodilstränen im baden-württembergischen Landtag“. Darin wird kritisiert, dass während einer Debatte zum aktuellen Nahostkonflikt im Landtag von Baden-Württemberg ausschließlich der Opfer auf israelischer Seite gedacht würde, aber nicht der Opfer im Gazastreifen durch israelische Gegenangriffe. Der Staat Israel wird als „zionistisches Gebilde“ bezeichnet, was die abwertende Haltung der Partei gegenüber dem israelischen Staat zum Ausdruck bringt. Zudem werden in dem Text Verbindungen zur deutschen Asylpolitik hergestellt: „Während sonst stets die vermeintliche Unmöglichkeit von Abschiebungen krimineller Ausländer und abgelehnter Asylforderer behauptet wird, soll dies nun im Falle von Kritik an Israel und Sympathiebekundungen für palästinensische Organisationen wie der HAMAS plötzlich machbar sein“, so „Der III. Weg“.

Fazit

Nachdem auch in Baden-Württemberg landesweit Menschen auf die Straße gehen, um sich im Zusammenhang mit dem aktuellen Geschehen im Nahen Osten an Demonstrationen zu beteiligen, nutzen Extremisten dieses Mobilisierungspotenzial für ihre eigenen Zwecke. Vor allem Islamisten äußern sich öffentlich teilweise antisemitisch und gewaltbefürwortend. Aber auch in den Phänomenbereichen Auslandsbezogener Extremismus sowie Links- und Rechtsextremismus sind einschlägige Reaktionen zu beobachten. In den übrigen beim LfV verorteten Phänomenbereichen kam es bisher nicht oder nur zu sehr geringfügigen Reaktionen, im weiteren Verlauf ist eine stärkere Positionierung etwa von „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ oder Angehörigen der „Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ jedoch nicht ausgeschlossen. 

Zukünftig muss weiterhin genau hingeschaut werden, vor allem wenn es darum geht, legitimes Protestgeschehen von verfassungsfeindlichem Handeln zu unterscheiden. Die Reaktionen zeigen, dass der Antisemitismus im Zuge der erneuten Eskalation im Nahostkonflikt einmal mehr als verbindendes Element in verschiedenen extremistischen Phänomenbereichen wirkt. Weitere Reaktionen und deren Ausprägung sind stark abhängig von den künftigen Entwicklungen im Nahen Osten – auch in Baden-Württemberg.


(nachträgliche Ergänzung: Das Bundesministerium des Innern und für Heimat hat am 2. November 2023 ein Vereinsverbot gegen die Vereinigung „Samidoun“ erlassen; auch gegen die Terrororganisation „HAMAS“ erging ein Betätigungsverbot.)

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