RECHTSEXTREMISMUS

„Stähle deinen Körper!“ – Kampfsport und Rechtsextremismus

Der Kampfsport spielt in der rechtsextremistischen Szene schon lange eine große Rolle. Unter anderem dient er der Identitätsstiftung und der Vorbereitung auf mögliche reale Auseinandersetzungen. Zuletzt hat das Landesamt für Verfassungsschutz für die rechtsextremistische Szene in Baden-Württemberg einen Anstieg von Kampfsporttrainings beobachtet.

Hinter der Begeisterung, die in der rechtsextremistischen Szene für Kampfsport vorhanden ist, steht eine Ideologie, die sich als Abgrenzung von einer angeblich völlig verweichlichten Gesellschaft des sogenannten BRD-Systems beschreiben lässt. Die Gesellschaft bewege sich in hedonistischen Auswüchsen dem sicheren Untergang entgegen, so Rechtsextremisten. Demgegenüber wird eine geradezu mystische Pflicht propagiert, die „Volksgesundheit“ und „Wehrhaftigkeit“ hochzuhalten und einen „neuen Menschenschlag“ zu schaffen, der stark an das in der NS-Zeit propagierte Ideal des „nordisch-germanischen Herrenmenschen“ angelehnt ist. Er repräsentiert für Rechtsextremisten Tugenden wie Mut, Härte, Disziplin und Tapferkeit. Die rechtsextremistische Kleinpartei „Der III. Weg“ schrieb Mitte 2021: 

„Stähle deinen Körper! Geh schwimmen, Laufen, stemme Gewichte oder mache Kampfsport. Arbeite an dir selbst. Das System züchtet schlaffe, unästhetische Kartoffelsäcke heran. Unsere Vorbilder sind jedoch andere! Doch es geht nicht allein um Ästhetik. Es geht auch um Charakterbildung. Wer Sport treibt, über Grenzen hinaus geht, stärkt seinen Willen und erlernt Disziplin. Es ist gerade heute wichtig, körperlich bereit zu sein. Nicht zuletzt gilt der Grundsatz: Du hast die Pflicht, gesund zu sein. […] Wir wollen möglichst lang auf hohem Niveau für Deutschland kämpfen können.“ 

Worauf der rechte Kampfsport abzielt

Kampfsport erfüllt im Rechtsextremismus verschiedene Funktionen. Erstens: Obwohl ihn auch rechtsextremistische Frauen trainieren, lässt sich noch immer sagen, dass Kampfsport der „Beschwörung traditioneller, gewaltvoller Männlichkeit als Ideal der extremen Rechten“[1] dient. „Der III. Weg“ brachte diese Verzahnung von Kampfsport und Männlichkeit bereits 2018 so auf den Punkt: 

„In Zeiten der propagierten Geschlechtsneutralität bzw. der Gleichmacherei ist Kampfsport eins der wenigen Bindeglieder, in der der deutsche und westeuropäische Mann sich seiner Männlichkeit noch bewusst sein darf. Kampfsport ist nämlich nicht bloßer Sport, sondern auch ein Lebensgefühl. Kampfsport ermöglicht Männern eben, die Anerkennung bei seinesgleichen zu erlangen. Daher ist es wenig verwunderlich, dass beim Kampfsport die Präsenz besonders von Männern stark dominiert wird. Hier kann er sich noch mit anderen auf gleiche und gerechte Art messen.“ 

Zentral ist zweitens, dass Rechtsextremisten Kampfsport trainieren, um für körperliche Auseinandersetzungen und größere Gewalttaten gewappnet zu sein. So wird die Notwendigkeit von Kampfsport beispielsweise mit der ständigen Gefahr körperlicher Angriffe durch gewaltorientierte Linksextremisten und durch Menschen mit Migrationshintergrund begründet. 

Drittens kommt Kampfsport eine identitätsstiftende Funktion zu. Ähnlich wie Musikveranstaltungen sind gemeinsame Trainings oder größere Kampfsportevents Teil der rechtsextremistischen Erlebniskultur: Sie dienen der Unterhaltung, dem Austausch sowie der Vernetzung – und damit letztlich der Identitätsstiftung. Größere Kampfsportveranstaltungen bieten darüber hinaus die Möglichkeit, die eigenen politischen Botschaften zu verkünden. 

Viertens ist Kampfsport mit finanziellen Interessen verbunden. Eigene Fitnessstudios und Wettkämpfe tragen zur Finanzierung rechtsextremistischer Aktivitäten bei. 

Fünftens schließlich dient Kampfsport der rechtsextremistischen Szene als Rekrutierungsfeld: Über den Weg der körperlichen Betätigung, die an einen allgemeinen Sport- beziehungsweise Fitnesstrend anknüpft, möchte man auch rechtsextremistische Ideologie vermitteln und auf diese Weise neue Anhänger rekrutieren. „Der III. Weg“ schrieb dazu ebenfalls 2018: „Zudem werden kampfsporterprobte Identitäre und Volkstreue viele andere junge Deutsche anziehen, denn die unter Migranten zu leidende Jugend sucht meistens einen starken Schutz bzw. eine Rückendeckung.“ 

Die Situation in Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg fallen aktuell „Der III. Weg“ und die rechtsextremistische „Identitäre Bewegung“ (IB) mit Kampfsportaktivitäten auf.

So verfügt der im März 2022 gegründete „Stützpunkt Württemberg“ des „III. Weges“ seit Ende 2022 über eine „AG Körper und Geist“, die vor allem Trainingseinheiten im Kampfsport anbietet. Sie sollen „zur Steigerung der Wehrhaftigkeit unserer Aktivisten beitragen“. Diese Wehrhaftigkeit diene etwa dazu, sich „prügelnden Antifa-Chaoten“ entgegenzustellen. Bereits mehrfach hat „Der III. Weg“ auf seiner Homepage über die in Baden-Württemberg durchgeführten Kampfsporttrainings berichtet, zuletzt im Mai 2023. 

Bei der IB in Baden-Württemberg nimmt Kampfsport eine immer größere Rolle ein. So war beispielsweise Boxtraining auch Bestandteil des „Aktivistenwochenendes“, das die Regionalgruppe „Wackre Schwaben“ der IB im Frühjahr 2023 durchgeführt hat. Die Verantwortlichen schrieben anschließend auf Instagram: „Im Morgengrauen gab es einen intensiven Sportteil. Kraft- und Kampfsport standen dabei im Mittelpunkt.“ 

Das Kampfsporttraining während des „Aktivistenwochenendes“ dürfte nicht nur den Zweck verfolgt haben, sich für mögliche Auseinandersetzungen vor allem mit dem politischen Gegner zu wappnen, sondern sollte vermutlich auch zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls beitragen.

Anfang Juni 2023 veröffentlichte der IB-Ableger „Pforzheim Revolte“ in den sozialen Medien ein Video, in dem Kampfsport eine zentrale Rolle spielt: Das Video zeigt zwei Aktivisten der „Pforzheim Revolte“, die am Rande einer Grünfläche Kampfsport trainieren. Die Szenen sollen einerseits die Stärke und den Kampfgeist der Gruppierung gegenüber Personen darstellen, die linksorientiert sind oder der LGBTQIA+-Bewegung nahestehen; denn in dem Video werden ein Flyer mit der Aufschrift „Gegen Links“ sowie ein Aufkleber mit dem Aufdruck „FCK LGBTQ“ eingeblendet – FCK steht dabei verkürzt für das Schimpfwort „Fuck“. Andererseits sollen die Kampfsportsequenzen die Botschaft vermitteln, dass man sich selbst mit etwas Sinnvollem befasse, nämlich der Steigerung der „Volksgesundheit“ und der „Wehrhaftigkeit“ durch Kampfsport. Als Gegensatz dazu wird die LGBTQIA+-Bewegung dargestellt, die lediglich beim Christopher Street Day (CSD) mitlaufe. Szenen vom CSD sind zu Beginn des Videos zu sehen.


[1] Robert Claus: Ihr Kampf. Wie Europas extreme Rechte für den Umsturz trainiert“, Bielefeld: Die Werkstatt, 2020, S. 22.
 

Ausschnitt aus dem Video der „Pforzheim Revolte“ anlässlich des ersten CSD in Pforzheim am 17. Juni 2023
Ausschnitt aus dem Video der „Pforzheim Revolte“ anlässlich des ersten CSD in Pforzheim am 17. Juni 2023

Fazit und Ausblick

Baden-württembergische Rechtsextremisten halten sich auf verschiedene Weise fit. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Kampfsport, der darüber hinaus weitere Zwecke erfüllt, wie etwa die Vorbereitung auf körperliche Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner und die Identitätsstiftung.

Von Rechtsextremisten, die Kampfsport trainieren, können unterschiedliche Gefahren sowie Herausforderungen für den Staat und die Zivilgesellschaft ausgehen. Beispielsweise können kampfsporterprobte Rechtsextremisten ihre Fähigkeiten in einem realen Krieg einsetzen, wie zuletzt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine gezeigt hat, in dem auch deutsche Rechtsextremisten kämpfen. Zudem versuchen Rechtsextremisten mit Hilfe von Kampfsport neue Sympathisanten zu gewinnen und als Anhänger für die eigene Ideologie zu rekrutieren. Als Anwerbeort dienen Kampfsportveranstaltungen und gemeinsame Trainings, beispielsweise in Fitnessstudios oder auf privaten und öffentlichen Grünflächen. Schließlich vernetzen sich Rechtsextremisten durch Kampfsport über nationale Grenzen hinweg. Auch das stellt eine Herausforderung für die Sicherheitsbehörden dar, die darauf mit einer verstärkten transnationalen Zusammenarbeit reagieren.

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