„Unsere Weltanschauung ist der Glaube des 21. Jahrhunderts.“ Zum ideologischen Profil von „DER III. WEG“
„Der III. Weg“ bezeichnet sich selbst als „nationalrevolutionär“. Diese Selbstbezeichnung ist jedoch irreführend. Assoziiert sie doch eine ideologische Nähe zu der gleichnamigen Strömung in der Weimarer Republik, die gemeinhin ihrerseits als Teilströmung der damaligen „Konservativen Revolution“ angesehen wird. Tatsächlich jedoch ist „Der III. Weg“ als neonazistisch einzustufen im Sinne eines direkten bzw. indirekten Bekenntnisses zum historischen Nationalsozialismus. So widmete die Partei erst im Januar 2022 einen relativ langen und daher in zwei Teilen veröffentlichten Text auf ihrer Homepage dem Rassisten, Antisemiten und ideologischen „Vordenker des Nationalsozialismus“[2], einem „Denker jener völkisch-nationalistischen Ideologie, aus deren Dunstkreis der Nationalsozialismus hervorwachsen konnte“[3], Houston Stewart Chamberlain (1855-1927), zu dessen 95. Todestag. Darin wurde in völliger Kritiklosigkeit „Ehrfurcht gegenüber diesem großen Europäer“ zum Ausdruck gebracht.[4]
Will man das ideologische Profil von „Der III. Weg“ wenigstens in groben Zügen analysieren, führt ein Blick in das offizielle, zehn knapp ausformulierte Punkte umfassende Programm der Partei nicht weit. Dort enthaltene Forderungen wie die nach einer „Abwendung des drohenden Volkstodes“ (Punkt „3. Deutsche Kinder braucht das Land“) der Deutschen und gebietsrevisionistische Parolen wie „Deutschland ist größer als die BRD“ (Überschrift von Punkt 10) sind zwar nach Inhalt und Wortwahl typisch rechtsextremistisch, kursieren jedoch schon seit Jahrzehnten in der Szene und sind somit für die Partei nicht spezifisch. Forderungen wie die nach „Einführung eines flächendeckenden und jährlich angepassten Mindestlohnes“ (Punkt „6. Soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen“) sind an sich nicht rechtsextremistisch, sieht man von der Tatsache ab, dass davon ausgegangen werden muss, dass „Der III. Weg“ derartige staatlichen Leistungen nur Deutschen ohne Migrationshintergrund zukommen lassen will.[5]
Abseits jedoch dieses „10 Punkte Programms“ kommen in zahlreichen Äußerungen der Partei ein bis ins Pseudoreligiöse eskalierender ideologischer Fanatismus und eine unverhohlene Feindseligkeit nicht nur gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, sondern gegen die gesamte westliche Moderne zum Ausdruck. So veröffentlichte die Partei 2019 ein „Handbuch für Aktivisten unserer Bewegung“ mit dem Titel „Der Nationalrevolutionär“, das als Grundsatzschrift der Partei für ihre Mitglieder und Anhänger aufgefasst werden kann. In dem Handbuch, herausgegeben vom damaligen Bundesvorsitzenden der Partei, findet sich auch eine zweiseitige „Selbstermahnung eines Nationalrevolutionärs“. Dieser Text hinterlässt mit seiner Aufteilung in zwanzig Punkte und seinem ermahnenden Appellcharakter (u. a. „Bekenne dich! […]“, „Kämpfe! […]“, „Glaube! […]“) – wie die meisten extremistischen Ideologien – einen pseudo- bzw. polit-religiösen Eindruck. Punkt IV. der „Selbstermahnung eines Nationalrevolutionärs“ lautet:
„Sei revolutionär! Die Revolution ist das Mittel, um unser Volk zu retten. Die nationale Revolution richtet sich gegen den ausbeuterischen Kapitalismus ebenso wie gegen den volkszerstörenden Liberalismus. An ihrem Ende steht der Deutsche [sic!] Sozialismus als gerechte soziale und völkische Ordnung.“[6]
Schon dieser Punkt beinhaltet eine wenig verklausulierte Fundamentalabsage an die freiheitliche demokratische Grundordnung. Zum einen verbirgt sich diese hinter der Formulierung vom „volkszerstörenden Liberalismus“: Neonazis tarnen ihre fundamentale Systemopposition häufig begrifflich als reinen Antiliberalismus. Gerade die Absage an Kapitalismus und Liberalismus im selben Satz ist dann meist gleichbedeutend mit einer fundamentalen Verwerfung nicht nur des Wirtschaftssystems, sondern auch der Verfassungsordnung. Zum anderen wird hier als Ersatz für das bestehende System „der Deutsche Sozialismus als gerechte soziale und völkische Ordnung“ angekündigt – eine Umschreibung für den Nationalsozialismus. Die Völkische Bewegung des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, auf die der Begriff „völkisch“ originär zurückgeht, zählt zu den wichtigsten Vorgängerphänomenen, Wegbereitern und Ideologielieferanten des historischen Nationalsozialismus.
In Punkt VI. der „Selbstermahnung“ ist zu lesen:
„Sei kompromisslos! Wir haben alle Bindungen an die herrschenden Doktrinen, ihre Moralvorstellungen und vermeintlichen Gesetze der politischen Korrektheit nicht nur in Worten, sondern auch in Taten zerrissen. Wir sind die unversöhnlichen Feinde ihrer multikulturellen, kapitalistischen und liberalen Welt. Das Überleben unseres Volkes erfordert ihren Untergang. Es gibt keine Graustufen zwischen Leben und Tod, deswegen gibt es auch keine Kompromisse zwischen uns und unseren Feinden.“[7]
Hier wird die totale Verwerfung der (u. a. freiheitlichen demokratischen) Gegenwart mit einer ausdrücklich „unversöhnlichen“ Feinderklärung auf die Spitze getrieben. Die Forderung nach Kompromisslosigkeit wird letztlich begründet mit einem für extremistische Ideologien typischen Denken in den Kategorien Entweder-Oder, Schwarz-Weiß, Gut-Böse, Freund-Feind. Die Absage an die bestehenden Verhältnisse wird nach der Logik „Wir oder die“ zu einer Frage von Leben oder Tod des deutschen Volkes verabsolutiert: „Das Überleben unseres Volkes erfordert ihren Untergang.“ Fundamentaler und fanatischer kann eine Verwerfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (und der westlichen Moderne insgesamt) kaum ausfallen.
Anders als bei vielen anderen neonazistischen bzw. anderweitig dezidiert rechtsextremistischen Gruppierungen muss bei „Der III. Weg“ nicht zwischen den Zeilen herausgelesen werden, dass der Partei ihre Ideologie als ein antimodernistischer Religionsersatz, als eine Art politische Religion[8] dient. 2021 veröffentlichte die Partei auf ihrer Homepage nicht nur einen relativ ausführlichen Text, in dem diese Tatsache im Grunde unumwunden zugegeben wurde. So heißt es in einem mit „Deutscher Sozialismus: Die Religion des 21. Jahrhunderts“ überschriebenen Text vom 4. Februar 2021 aus anonymer Feder u. a.:
„Die nationalrevolutionäre Bewegung stellt […] eine
starke Gemeinschaft dar. Ihr geistiges Fundament hat Parallelen zu einer klassischen Religion. Gelingt es, diesen Glauben in das Volk zu
tragen, wird die Bewegung siegen. […] Tatsächlich gibt es erstaunlich viele Parallelen zwischen einer klassischen Religion und
dem Nationalismus. […] Unsere Weltanschauung ist der Glaube des 21. Jahrhunderts. Und doch hat dieser Glaube gegenüber
herkömmlichen Religionen den Vorteil, dass er auf wissenschaftlichen Fakten beruht. Man braucht nicht zu glauben, was bewiesen
ist.“[1]
Konkret wird in diesem Text beispielsweise die These vertreten, wonach der Verlust des Glaubens an ein Leben nach dem Tod, den viele Menschen in der Moderne erfahren haben, kompensiert werden könne durch eine verweltlichende Projektion diesbezüglicher Sehnsüchte auf das (deutsche) Volk. Nach dieser ideologischen Logik sei der einzelne Mensch nur eine Art Körperzelle im Gesamtorganismus „Volkskörper“. Diese könne zwar absterben. Solange ihr kollektives Ich „Volk“ jedoch weiterlebe, beschere es dem Einzelnen eine Art „ewiges Leben“, eben nur im Diesseits:
„Angesichts der Kurzlebigkeit der Moderne liegt die Suche nach etwas Bleibendem, Nachhaltigem nahe. Weil wir nicht mehr auf Unsterblichkeit im Sinne eines Lebens nach dem Tod bauen können, liegt es nahe, etwas Dauerhaftes auf Erden zu schaffen. Hierin liegt ein Wert des Gemeinschaftsgedankens. Mögen wir selbst auch vergehen, so bleibt unser Volk doch bestehen. Wir selbst sind nur ein winziges Körnchen auf Erden, verwehen schnell. Doch in dem Größeren, dessen Teil wir sind, können wir ewig bestehen. Am schönsten wird dies im Sinnbild des alten Baumes charakterisiert: Die Blätter verwehen im Jahreslauf, doch der Baum bleibt bestehen. Jedes Blatt für sich erfüllt einen Zweck, dient etwas Größerem. […] wir wissen, solange Deutschland lebt, leben auch wir fort.“[9]
Solchen ideologisch-fanatischen Gedankengängen liegt innerlogisch nicht zuletzt eine typisch völkische Vergöttlichung des Volksbegriffes zugrunde, wie sie schon im historischen Nationalsozialismus nachweisbar war. Hieß es doch bereits damals: „Das Göttliche verkörpert sich am erhabensten im Volk.“[10]
Am 28. April 2021 veröffentlichte „Der III. Weg“ auf seiner Homepage – wieder ohne Angabe des Autoren – einen Text unter der Überschrift „Der Kern unserer Religion: Die Gemeinschaft“, in dem Aspekte des Textes „Deutscher Sozialismus: Die Religion des 21. Jahrhunderts“ näher erläutert werden. Auch dieser Text erklärt die „sozialrevolutionäre“ Ideologie der Partei völlig unverblümt zu einer (Pseudo- bzw. Polit-) Religion, die eigenen Parteistrukturen demzufolge zu einer Art Kirche. So heißt es dort u. a.:
„Im Mittelpunkt des Glaubens steht bekanntlich das Volk. […] Ein entscheidendes Merkmal für die ‚Ideologie des Volkes‘ ist die Unsterblichkeit des Volkes. […] Welche Rolle nehmen nationalrevolutionäre Strukturen in unserer Religion ein? […] Unsere Strukturen sind für uns das, was die Pfarrgemeinde für Christen ist. Hier wird der Glaube übermittelt. […] Nichts ist heiliger als der Kampf um die die Freiheit und Selbstbestimmung unseres Volkes.“[11]
Solche ideologischen Positionen muten selbst für neonazistische Verhältnisse manchmal fast abseitig und sektiererisch an. Und in der Tat legt „Der III. Weg“ selbst im Umgang mit der übrigen rechtsextremistischen Szene zuweilen ein abgrenzendes, sektiererisches Verhalten an den Tag. Der Vorwurf an die Adresse von „Der III. Weg“, sich wie eine Sekte aufzuführen und dadurch innerszenische (Selbst)Isolation zu betreiben, ist offenbar im Rest der Szene weit verbreitet. Dies wird auch von der Partei selbst eingeräumt. So heißt es in dem 2021 vom damaligen Bundesvorsitzenden Klaus ARMSTROFF herausgegebenen Buch „Wie weiter? Kritik und Doktrin des organisierten Nationalismus“: „Insbesondere der Vorwurf, ein Dasein als ‚Sekte‘ zu führen, ist nahezu allgegenwärtig.“[12]
[1] Internetauswertung vom 16. Februar 2022
[2] Udo Bermbach, Houston Stewart Chamberlain. Wagners
Schwiegersohn – Hitlers Vordenker, Stuttgart 2015, S. 553.
[3] Ebenda, S. 4.
[4] Internetauswertung vom 8. April 2022
[5] Internetauswertung vom 14. April 2022.
[6] Klaus ARMSTROFF (Hrsg.), Der Nationalrevolutionär. Handbuch
für Aktivisten unserer Bewegung, Weidenthal 2019, S. 150.
[7] Ebenda.
[8] Vgl. zu diesem Forschungsansatz, der Ideologien als politische
Religionen interpretiert, beispielsweise: Hans Maier, Politische Religionen. Die totalitären Regime und das Christentum, Freiburg im
Breisgau 1995, insbesondere S. 9-20.
[9] Internetauswertung vom 16. Februar 2022
[10] Gottfried Griesmayr, Unser Glaube. Bekenntnis eines jungen Deutschen,
Berlin 1941, S. 50.
[11] Internetauswertung vom 29. April 2021
[12] Heinrich Wolf, Wie weiter? Kritik und Doktrin des organisierten
Nationalismus, Weidenthal 2021, S. 303. ARMSTROFF wird am Ende des Buches als Herausgeber angegeben.