RECHTSEXTREMISMUS

„Die Stützpunkte sind die Herzkammern unserer nationalrevolutionären Struktur“: Gründung des „Stützpunktes Württemberg“ von „DER DRITTE WEG“

Am 26. März 2022 hat die rechtsextremistische Kleinpartei „DER DRITTE WEG“ („DER III. WEG“) ihren „Stützpunkt Württemberg“ (wieder)gegründet. Damit zeigt ein quantitativ zwar eher überschaubares, aber qualitativ in Sachen Aktivismus und ideologischer Fanatismus durchaus bemerkenswertes Teilphänomen des deutschen Rechtsextremismus bzw. Neonazismus nach Jahren wieder strukturelle Präsenz in Baden-Württemberg.

1.     Die Gründung des „Stützpunktes Württemberg“ von „DER III. WEG“  

Die rechtsextremistische Kleinpartei „Der III. Weg“ (bundesweite Mitgliederzahl 2020: ca. 600 Voll- und Fördermitglieder) wurde nach eigenen Angaben am 28. September 2013 in Heidelberg gegründet. Hintergrund dieser Gründung war nicht zuletzt eine „Abspaltung ehemaliger NPD-Funktionäre vom Landesverband Rheinland-Pfalz.“ Der erste Parteivorstand von „Der III. Weg“ setzte sich dementsprechend „aus ehemaligen NPD-Mitgliedern mit neonazistischer Prägung zusammen.“[1] Ziemlich seit Beginn an ist die Partei aber auch ein „Auffangbecken für Mitglieder von Vereinsverboten betroffener [neonazistischer] (Kameradschafts-)Organisationen“[2], die sich erhoffen, unter dem Schutz des Parteienprivilegs besser vor Organisationsverboten geschützt zu sein als ihre bisherigen Vereinsstrukturen.


[1]    Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur [des Landes Rheinland-Pfalz] (Hrsg), Verfassungsschutzbericht 2013, o.O. o.J., S. 43.
[2]    Alexander Gallus, Dokumentation 2014: Im Schutzmantel der Partei: „Der Dritte Weg“ verläuft ganz weit rechts, in: Uwe Backes/Alexander Gallus/Eckhard Jesse (Hrsg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie (E & D) 27. Jahrgang 2015, Baden-Baden 2015, S. 132-136, Zitat S. 135.

Von Anfang an organisierte „Der III. Weg“ seine Mitglieder in regionalen „Stützpunkten“. Im Mai 2014 wurde der „Stützpunkt Schwaben“ gegründet, dem die Parteimitglieder aus dem bayerischen bzw. baden-württembergischen Schwaben zuzurechnen waren. Im Oktober 2015 erfolgte im Schwarzwald die Gründung des „Stützpunktes Württemberg“, woraufhin der „Stützpunkt Schwaben“ seine Aktivitäten weitgehend auf das bayerische Schwaben beschränkt zu haben scheint. 2016 begann die Partei, ihre „Stützpunkte“ in „Gebietsverbänden“ zusammenzufassen. Im Zuge dessen wurde im Juni 2016 ein „Gebietsverband Süd“ gegründet, der die bayerischen und baden-württembergischen „Stützpunkte“ unter seinem Dach vereinte. 2020 ging „Der III. Weg“ dazu über, auch Landesverbände zu gründen. Ende 2021 verfügte die Partei aber über lediglich drei Landesverbände: Bayern, Sachsen und „West“, wobei es sich beim „Landesverband West“ um den umbenannten „Gebietsverband West“ handeln dürfte, der für die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Saarland zuständig war. Die „Gebietsverbände“ wurden mittlerweile aufgelöst oder spielen als solche keine Rolle mehr. 

Die niedrige Zahl an Landesverbänden ist nur ein Beleg dafür, dass von einer bundesweiten organisatorischen Verankerung der Partei auch über acht Jahre nach ihrer Gründung noch keine Rede sein kann: Mitte Januar 2022 wies sie auf ihrer Internetseite 20 regionale „Stützpunkte“ aus, die sich ungleichmäßig auf rund neun Bundesländer verteilten. Zu den Bundesländern, in denen „Der III. Weg“ zu diesem Zeitpunkt organisatorisch nicht vertreten war, zählte auch Baden-Württemberg. Denn schon seit November 2017 hatten die „Stützpunkte“ „Schwaben“ und „Württemberg“ aufgehört zu existieren. Neue „Stützpunkte“, deren Zuständigkeitsbereiche wenigstens teilweise in Baden-Württemberg gelegen hätten, wurden in den Folgejahren nicht gegründet. Die Präsenz der Partei zwischen Main und Bodensee beschränkte sich seither auf eine relativ kleine, zudem schrumpfende Zahl hier wohnhafter Mitglieder (2017: ca. 35; 2021: ca. zehn). 

Dies änderte sich erst Ende März 2022. Damals berichtet die Partei in zwei Beiträgen[3] auf ihrer Homepage über eine Saalveranstaltung vom 26. März 2022 samt „Vortrag über die Irrlehre des Kommunismus“ und abschließendem Auftritt eines württembergischen Liedermachers. Im Rahmen dieser Veranstaltung, deren Ort in den beiden Berichten nicht genannt wird, wurde demnach die (Wieder)Gründung des „Stützpunktes Württemberg“ verkündet. In einem Grußwort, das der seit seiner Wahl auf dem Gesamtparteitag von „Der III. Weg“ am 13. November 2021 amtierende Bundesvorsitzende der Partei, Matthias FISCHER aus Brandenburg, übermitteln ließ, wurde die Wichtigkeit der „Stützpunkte“ für „Der III. Weg“ herausgestrichen:

 „Der gesamte Vorstand beglückwünscht die heutige Wiederbelebung des Stützpunkts Württemberg. […] Die Stützpunkte sind die Herzkammern unserer nationalrevolutionären Struktur[,] und ihr seid nun ein weiterer kraftvoller Muskel im Kampf für unsere Weltanschauung.“


[3]    Internetauswertung vom 4. April 2022

2.     Aktionen ohne Strukturen: Aktivitäten von „DER III. WEG“ in Baden-Württemberg 2018-2021 

Obwohl zwischen November 2017 und März 2022 in Baden-Württemberg keine offiziellen Organisationsstrukturen der Partei „Der III. Weg“ existierten und die Zahl ihrer Mitglieder auf ohnehin sehr niedrigem Niveau noch weiter zurückging, kann von einem merklichen Abflauen der Parteiaktivitäten in diesen Jahren im Land nur sehr bedingt die Rede sein. Das soll im Folgenden exemplarisch für die Jahre 2018 bis 2021 aufgezeigt werden. 

2018, im Jahr direkt nach dem Ende der beiden „Stützpunkte“ „Schwaben“ und „Württemberg“, legte „Der III. Weg“ im Land immer noch einen erheblichen Aktivismus an den Tag. Das ließ sich nicht zuletzt auf der Internetseite der Partei ablesen: Hier wurden allein zwischen dem 1. Januar und dem 10. Oktober 2018 über 60 Texte mit mehr oder minder eindeutigem Baden-Württemberg-Bezug eingestellt; ungefähr die Hälfte davon bezog sich auf Aktionen innerhalb des Bundeslandes. Eine Auswertung dieser Beiträge ergab, dass die mit Abstand häufigste Aktionsform von „Der III. Weg“ in Baden-Württemberg auch 2018 wieder die Flugblattverteilung war. Mindestens sechs Verteilaktionen sollen demnach zwischen dem 12. Mai und dem 15. September 2018 allein in Reutlingen stattgefunden haben, eine weitere am 22. Juni 2018 im direkt benachbarten Pliezhausen/Kreis Reutlingen. Die Stadt und der Landkreis Reutlingen waren 2018 generell ein örtlicher Aktionsschwerpunkt der Partei, obwohl sie auch in dieser Region nur über eine sehr dünne Personaldecke verfügt haben dürfte. In mindestens zwei Fällen halfen Mitglieder des „Stützpunkts München/Oberbayern“ mit Flugblattverteilungen in Baden-Württemberg aus, nämlich am 18. August 2018 in Leutkirch im Allgäu/Kreis Ravensburg sowie am 16. September 2018 in Bad Wurzach und Aitrach (beide Kreis Ravensburg).[4]


[4]    Vgl. zu weiteren Aktivitäten von „Der III. Weg“ im Jahr 2018 in Baden-Württemberg: Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration des Landes Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2018, Stuttgart 2019, S. 162-163.

Ungefähr dasselbe lässt sich über das Jahr 2019 sagen, allerdings vor allem für den Zeitraum des damaligen Europawahlkampfs im April und Mai: Laut eigener Darstellung auf der Parteihomepage eröffnete die Partei ihren Wahlkampf am 13. April 2019 mit einer Faltblattverteilung in Metzingen/Kreis Reutlingen. Schon in den folgenden Tagen führte die Partei Plakataktionen in den Kreisen Reutlingen, Tübingen und Esslingen durch, wobei sie nach eigenen Aussagen von „freien Nationalisten“, also nicht parteigebundenen Neonazis unterstützt wurde. Im Rahmen eines „Aktionswochenende[s]“, das sich aber offenbar auf den 20. April 2019 beschränkte, veranstaltete die Partei nacheinander Infostände in Reutlingen und Singen/Kreis Konstanz. Am ersten Mai-Wochenende folgten demnach eine Plakataktion im Schwarzwald-Baar-Kreis und eine Flugblattaktion in Singen. Mitte Mai 2019 wurden „Hunderte Flugblätter“ in einem Stadtteil von Reutlingen verteilt. Allerdings schlug sich dieser Aktionismus nicht in einem für die Partei positiven Europawahlergebnis nieder: Sie erreichte in Baden-Württemberg 0,0 % der Stimmen. Abseits des Europawahlkampfs waren im Jahr 2019 in Baden-Württemberg nur selten öffentlichkeitswirksame Aktivitäten von „Der III. Weg“ festzustellen.[5]

Trotzdem zeigte „Der III. Weg“ hier auch 2020 einen erheblichen Aktivismus. Laut eigener Darstellung auf der Parteihomepage führte er über das Jahr verteilt mehrere Flugblattaktionen durch, z. B. im Februar im Bodenseekreis, im Juli in Radolfzell/Kreis Konstanz, im August in Friedrichshafen, am 12. September in Konstanz und Ende September/Anfang Oktober in Riedlingen/Kreis Biberach. Am 22. August 2020 warb die Partei aufeinanderfolgend an zwei Infoständen, erst in Reutlingen und dann in Friedrichshafen. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie meldete die Partei am 3. April 2020 auf ihrer Internetseite, dass einige ihrer „Stützpunkte“ eine „Nachbarschaftshilfe initiiert“ hätten, um „Deutschen bei Einkäufen und anderen wichtigen Alltagsdingen“ zu helfen. Konkret aufgeführt wurden insgesamt 14 regionale Projekte in mehreren Bundesländern, darunter eines in Konstanz und eines in „Reutlingen & Umland“.[6]


[5]    Vgl. zu weiteren Aktivitäten von „Der III. Weg“ im Jahr 2019 in Baden-Württemberg: Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration des Landes Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2019, Stuttgart 2020, S. 170-171.
[6]    Vgl. zu weiteren Aktivitäten von „Der III. Weg“ im Jahr 2020 in Baden-Württemberg: Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2020, Stuttgart 2021, S. 180-182.

Und selbst 2021, dem vierten Jahr nach dem Ende der beiden oben genannten Stützpunkte, waren die verbliebenen Mitglieder der Partei in Baden-Württemberg nicht untätig. Laut eigener Darstellung auf der Parteihomepage führte „Der III. Weg“ über das Jahr verteilt mehrere Flyer-Aktionen durch, zum Beispiel am 10. April in Konstanz, am 24. April und 17. Oktober in Stuttgart, am 22. Mai in Ulm und am 22. September in Reutlingen. Zudem berichtete die Partei, sie habe am 24. Juli 2021 unter dem Motto „Für Volk & Heimat – Antifa-Terror entgegentreten“ in „Reutlingen erfolgreich eine Kundgebung mit Infostand durchgeführt“.[7]

 3.     Fazit 

Ob mit „Stützpunkten“ offiziell organisatorisch in Baden-Württemberg vertreten oder nicht und trotz immer relativ geringer Mitgliederzahlen im Land: Die neonazistische Kleinpartei „Der III. Weg“ war seit ihrer Gründung 2013 in Heidelberg in Baden-Württemberg durchgängig präsent und aktiv, wenn auch nicht flächendeckend. Dies lag und liegt an dem in der Partei weit verbreiteten, bis ins Sektiererische tendierenden ideologischen Fanatismus und dem nicht zuletzt daraus resultierenden hochmotivierten Aktivismus seiner Mitglieder im Land. Daher lässt die (Wieder)Gründung ihres „Stützpunktes Württemberg“ am 26. März 2022 vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Jahre seit 2017 nicht unbedingt eine Intensivierung ihrer Aktivitäten in Baden-Württemberg erwarten – wohl aber eine Verfestigung ihrer Präsenz im Land.


[7] Internetauswertung vom 12. und 26. April, 25. Mai, 26. Juli, 6. Oktober und 18. Oktober 2021. Vgl. zu weiteren Aktivitäten von „Der III. Weg“ im Jahr 2021 in Baden-Württemberg den Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2021 i. E.

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