LINKSEXTREMISMUS

„Antimilitarismus“ bei Linksextremisten zunehmend im Fokus

Die linksextremistische Szene rückt aktuell das Handlungsfeld „Antimilitarismus“ verstärkt in den Mittelpunkt. Grund hierfür sind die derzeitigen politischen Entwicklungen im Kontext des Ukrainekriegs, insbesondere die Entscheidung der Bundesregierung, die Militärausgaben zu erhöhen und Waffen in die Ukraine zu liefern. Wie jüngste Aktionen zeigen, gewinnt das Thema auch für Baden-Württemberg zunehmend an Relevanz.

In der Nacht auf den 29. April 2022 wurde die Fassade des Stuttgarter SPD-Büros mit roter Farbe beschmiert. Wie in einem Selbstbezichtigungsschreiben auf der von Linksextremisten genutzten Internetplattform „de.indymedia.org“ nachzulesen ist, sollte die Partei damit „als Kriegstreiber markiert“ werden. Durch die Tat sei „das Blut der Arbeiter:innen der Welt, das durch ihre Waffen zweifelsohne fließen wird, symbolisch an die Fassade“ gebracht worden. Am Ende des Beitrags wird dazu aufgerufen, im Themenfeld Antimilitarismus aktiv zu werden: „Lasst uns antimilitaristisch aktiv werden, die Kriegsindustrie stören, Waffenexporte blockieren und revolutionär für ein Anderes [sic!] System kämpfen“.

Farbanschlag auf das SPD-Büro

Kurze Zeit später ereignete sich ein zweiter Vorfall, bei dem ebenfalls rote Farbe in einem antimilitaristischen Kontext zum Einsatz kam: Am 30. April 2022 wurden die Fenster einer Filiale der Deutschen Bank im Zuge einer Spontandemonstration in Waiblingen mit dem Schriftzug „Kriegsprofiteure“ versehen. Hierdurch sollte laut eines weiteren Selbstbezichtigungsschreibens auf „de.indymedia.org“ darauf aufmerksam gemacht werden, dass die „Deutsche Bank zu den größten Investoren der Rüstungsindustrie [gehört]“. Am Ende des Beitrags findet sich der Aufruf: „Krieg, Krise, Kapitalismus – diesem System den Kampf ansagen!“

Das jüngste Vorkommnis, das sich in die aktuellen Entwicklungen in diesem Themenfeld einreiht, ereignete sich am 7.Mai 2022 im Stuttgarter Einkaufszentrum Milaneo: Dabei wurde ein Informationsstand der Bundeswehr mit Farbe beschädigt, auch hier entstand ein beträchtlicher Sachschaden. Auf „de.indymedia.org“ wurde auch zu diesem Vorfall per Selbstbezichtigungsschreiben Stellung bezogen. Mit dem Verweis darauf, dass „solche aktionen […] in der heutigen zeit bitter nötig [sic!]“ seien, findet sich auch hier die Schlussfolgerung „wir [müssen] dieses system und seine akteure angehen und überwinden [sic!]“. 

Doch es sind nicht nur derartige Einzelaktionen, die die zunehmende Bedeutung des Themenfeldes „Antimilitarismus“ für die linksextremistische Szene offenbaren. Bereits Anfang April wurde auf „de.indymedia.org“ unter der Überschrift „Rüstungsindustrie angreifen!“ eine neue Plattform vorgestellt, auf der Informationen, wie beispielsweise Adressen, veröffentlicht wurden. Unter den veröffentlichen Adressen finden sich auch zahlreiche Unternehmen aus Baden-Württemberg. Ziel der Plattform sei es, einen „Beitrag“ dazu zu leisten, „Rüstungsunternehmen, ihren Zulieferern, Beratern, Logistikern, Finanziers und Lobbyorganisationen“ zu schaden, indem sie anhand der online verfügbaren Informationen „effizient“ getroffen werden sollten.

Ebenfalls Ende April trat darüber hinaus unter der Internetadresse „hauptfeind.de“ erstmals ein neues, bundesweites Bündnis in Erscheinung, welches sich explizit gegen die beabsichtigte Neuausrichtung der deutschen Sicherheitspolitik stellt. Unter dem Motto „Offensive gegen Aufrüstung – Klassenkampf statt Burgfrieden“ haben sich bislang 29 Gruppen zusammengeschlossen, darunter auch mehrere linksextremistische Akteure aus Baden-Württemberg. Mit Verweis auf die aktuellen Entwicklungen im Kontext des Ukraine-Konflikts und in Orientierung an einem leninistischen Zitat verweist das Bündnis darauf, dass „unser Hauptfeind im eigenen Land steht“. Denn:

„Als Kriegsgegner:innen in Deutschland sind unsere Feinde die deutschen Rüstungskonzerne und Banken, ihre politischen Handlanger in den Parteispitzen der bürgerlichen Parteien, sowie die Medien, die uns aufhetzen sollen. Diese müssen wir angreifen und entlarven.“ 

Logo: Offensive gegen Aufrüstung

Hintergrund

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Antimilitarismus ergibt sich für Linksextremisten aus den ideologischen Grundlagen. Hierbei spielt auch die marxistisch-leninistische Imperialismus-Theorie eine bedeutende Rolle. Demnach zwingt die kapitalistische Ausrichtung Staaten dazu, eine ständige Profitmaximierung anzustreben. Hierfür bedarf es immer neuer Rohstoff- und Absatzmärkte, die sich kapitalistisch organisierte Ökonomien durch die stetige Erweiterung ihres Herrschaftsbereichs und damit letztlich durch staatliche Gewalt und Kriege aneignen (müssen). 

In Baden-Württemberg hat sich die linksextremistische Agitation in den vergangenen Jahren nur punktuell auf das Themenfeld des Antimilitarismus bezogen. So waren beispielsweise im Oktober 2021 mehrere Sachbeschädigungen bei verschiedenen Einrichtungen festzustellen, die alle im Kontext des Aktionstages „Heckler und Koch entwaffnen!“ begangen wurden. Die Einrichtungen sollten auf diese Art und Weise als „Kriegstreiber“ gekennzeichnet werden.   

Bewertung 

Die aktuelle Schwerpunktverschiebung innerhalb der linksextremistischen Szene hin zu Fragestellungen rund um das Thema Antimilitarismus zeigt einmal mehr, dass innerhalb dieses Phänomenbereichs ein besonderes Interesse daran besteht, an aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen anzuknüpfen. Ziel ist es, die eigenen Deutungsangebote in aktuell geführten, gesellschaftlichen Debatten zu verankern. In welchem Ausmaß und in welcher Intensität das Themenfeld Antimilitarismus in den nächsten Wochen und Monaten von Linksextremisten besetzt wird, hängt maßgeblich von den weiteren politischen Entwicklungen hinsichtlich des Ukraine-Krieges und der zukünftigen Ausrichtung der deutschen Sicherheitspolitik ab. Nicht zuletzt aufgrund der sich nun abzeichnenden Organisierung linksextremistischer Gruppen im Themenfeld Antimilitarismus ist insgesamt mit einer Zunahme linksextremistischer Angriffe auf diejenigen Akteure zu rechnen, die von linksextremistischer Seite als „Kriegstreiber“ wahrgenommen werden. Hierzu zählen primär Unternehmen mit Bezügen zur Rüstungsindustrie oder auch Regierungsparteien.

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