RECHTSEXTREMISMUS | REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER

Strukturelle Unterschiede, ähnliche Pfade? Die Alters- und Geschlechterstruktur im Rechtsextremismus und unter „Reichsbürgern“

Regelmäßig analysiert das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) die Zusammensetzung extremistischer Szenen. So zum Beispiel die Alters- und Geschlechterstruktur für die Bereiche Rechtsextremismus sowie „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“. Während die Entwicklung der Altersstruktur in beiden Phänomenen in eine ähnliche Richtung weist, zeigen sich mit Blick auf die Geschlechterstruktur divergente Pfade.

Hintergrund

Dem Milieu der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ gehören landesweit rund 3.300 Personen an.[1] Dem LfV ist bekannt, dass mindestens drei Prozent von ihnen zugleich rechtsextremistische Positionen vertreten. Das tatsächliche Personenpotenzial im Bereich Rechtsextremismus nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften beträgt ca. 1.970 Personen.[2] Die dieser Veröffentlichung zu Grunde liegenden Zahlen wurden jeweils Anfang der Jahre 2021 und 2022 erhoben. 

Altersstruktur

Die Zusammensetzung der beiden betrachteten Szenen unterscheidet sich hinsichtlich ihres Alters: Während der größte Teil der dem LfV bekannten Rechtsextremisten zwischen 30 und 39 Jahre alt ist (ca. 34 % aller Rechtsextremisten), ist diese Altersgruppe im Bereich der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ vergleichsweise schwach vertreten (12 %). Im Gegensatz dazu ist in diesem Milieu ein besonders hoher Anteil von Personen zwischen 50 und 59 Jahren alt (ca. 30 %), wohingegen im Rechtsextremismus zunehmend weniger Personen den höheren Altersgruppen angehören. Dies spiegelt sich auch im unterschiedlichen Durchschnittsalter der Szenen wider: Es liegt im Rechtsextremismus bei etwa 41 Jahren und in der Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ bei rund 53 Jahren. Zum Vergleich: Das Durchschnittsalter der gesamten baden-württembergischen Bevölkerung lag im Jahr 2020 bei etwa 44 Jahren.[3] 



[1] Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2020, Stuttgart 2021, S. 220
[2] Ebd., S. 144
[3] https://www.statistik-bw.de/BevoelkGebiet/Alter/01035100.tab?R=LA (abgerufen am 07.04.2022)

Auf die Altersstruktur der extremistischen Szenen können viele Faktoren Einfluss haben: Neben der Ideologie sind das beispielsweise bestimmte Aktionsformen, die für verschiedene Altersgruppen unterschiedlich attraktiv sind. Deutlich zeigt sich an diesen Zahlen auch, dass Rechtsextremismus nicht als Jugendphänomen abgetan werden kann: Rechtsextremisten sind durch alle Altersgruppen hinweg aktiv. Auf der anderen Seite muss mit Blick auf das Milieu der „Reichsbürger“ und Selbstverwalter“ dafür sensibilisiert werden, dass diese Ideologie zu einem durchaus nennenswerten Anteil auch in jüngeren Altersgruppen verfängt – wenn auch seltener als bei lebensälteren Personen.

Insgesamt ist die Altersstruktur in beiden Phänomenbereichen relativ stabil – aber auch nicht statisch. Dies wird im Vergleich zu den Vorjahren deutlich. Legt man die Zahlen von 2022 und 2021 direkt nebeneinander, zeigt sich: Die Altersstruktur unterliegt Schwankungen, die im Bereich Rechtsextremismus momentan in Richtung eines steigenden Alters weisen. So sank im Jahr 2022 der Anteil der unter 39-Jährigen, während anteilig mehr Personen ab 40 Jahren aufwärts vertreten waren. Eine vergleichsweise große Steigerung um drei Prozentpunkte lässt sich bei den 50 bis 59-Jährigen ablesen.

Ein ähnlicher Trend lässt sich im Milieu der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ vermuten, obgleich die Schwankungen hier geringer ausfallen. Sie machen jeweils nur einen Prozentpunkt in die eine oder die andere Richtung aus.

Geschlechterstruktur

Neben dem Alter kann die Geschlechtszugehörigkeit sehr gut Aufschluss auf die Zusammensetzung der jeweiligen extremistischen Szenen geben. Und auch hier fallen große strukturelle Unterschiede zwischen beiden Phänomenbereichen auf. So beträgt der Frauenanteil im Milieu der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ aktuell fast ein Drittel, während er im Rechtsextremismus mit ca. 18 % nicht einmal ein Fünftel ausmacht. Diese Verteilung ist relativ stabil, unterliegt aber im Jahresvergleich ebenfalls leichten Schwankungen: Im Rechtsextremismus ist der Frauenanteil seit 2020 leicht abgesunken (2020: 21 %, 2021: 20 %), wohingegen anteilig immer mehr Frauen der „Reichsbürger“-Szene zugerechnet werden (2020: 28 %, 2021: 29 %).

Fazit

Die beiden betrachteten Phänomenbereiche weisen nicht nur ideologische, sondern zweifelsohne auch strukturelle Unterschiede auf. Diese Verschiedenheit – beispielsweise ein höheres Durchschnittsalter und ein größerer Frauenanteil im Bereich der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ – blieb in den vergangenen Jahren weitgehend unverändert. Gleichzeitig deuten die aktuellen Zahlen auf unterschiedliche langfristige Tendenzen hin: Auf der einen Seite stiegen in beiden Phänomenbereichen die Anteile der Altersgruppen ab 40 Jahren leicht an, im Bereich Rechtsextremismus ist das noch etwas deutlicher der Fall. Auf der anderen Seite weist die Entwicklung der Geschlechterverteilung in ganz unterschiedliche Richtungen: Während der Anteil an „Reichsbürgerinnen“ in den vergangenen Jahren größer wurde, ist der Frauenanteil in der rechtsextremistischen Szene leicht rückläufig.

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