„REICHSBÜRGER“ UND „SELBSTVERWALTER“

Vermeintliche Sonderrechte und (versuchte) Eigentumsübertragungen beim „Indigenen Volk Germaniten“

Die „Selbstverwalter“-Gruppierung unter der Eigenbezeichnung „Indigenes Volk Germaniten“, die sich eigenen Angaben zufolge bereits 2010 gründete und sich als eigenständiges Volk mit Sonderrechten versteht, erneuert ihre Außendarstellung. Sowohl eine aktualisierte Internetseite als auch ein neuer Telegram-Kanal zeugen von einer Reorganisation der „Germaniten“ – und sollen potenzielle neue Anhänger überzeugen. In den vergangenen Monaten wurden neben dem milieutypischen Versand zahlreicher pseudojuristischer Schreiben an öffentliche Stellen und Vorträgen im gesamten Bundesgebiet weitere Aktivitäten des „Indigenen Volkes Germaniten“ bekannt. Darunter ist insbesondere die (versuchte) Übertragung von Eigentum mehrerer Mitglieder an die Gruppierung hervorzuheben.

Die Anhänger des „Indigenen Volkes Germaniten“ verstehen sich, laut ihrer neu gestalteten Homepage, als Nachkommen germanisch-alemannischer Vorfahren und somit gar als eigene ethnische Volksgruppe. Hieraus leitet die Gruppierung entsprechende Sonderrechte ab. Wenngleich die Anhänger behaupten, die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht zu leugnen, wie es für „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ üblich ist, rechnen sie sich keinem Staat zu. Das legt den Schluss nahe, dass sie – in ihren Augen unliebsame – Normen der Bundesrepublik als nicht bindend erachten. Wie bei anderen Vertretern des Milieus dürfte die Zuordnung zu einer besonderen, pseudojuristisch hergeleiteten eigenen Rechtsordnung vorrangig dazu dienen, staatliche Forderungen abzuwehren. Eingriffe in die vermeintlich hochrangigen Rechte des „Indigenen Volkes Germaniten“ werden von den Mitgliedern beispielsweise als „Denunziations- und Einschüchterungsbegehren“ bezeichnet oder als Rechtsbrüche gewertet. Diese Vorwürfe sollen den Eindruck vermitteln, dass eine angeblich indigene Volksgruppe staatlich diskriminiert werde.

„Missionen“ auch in Baden-Württemberg

Die Gruppierung ist bundesweit in verschiedene „Missionen“ mit entsprechenden „Leitern“ unterteilt. Einige davon haben ihren Sitz in Baden-Württemberg und sind in den vergangenen Monaten erstmals in Erscheinung getreten. Durch die zahlreichen „Missionen“ soll der Eindruck einer gefestigten, überregionalen Organisationsstruktur vermittelt werden. Auch die Außendarstellung, mit einem hoheitlich anmutenden Wappen und einer Vielzahl an Unterschriften auf den versandten Schreiben der Gruppierung, soll dem „Indigenen Volk Germaniten“ Glaubwürdigkeit verleihen. Im Grunde handelt es sich – wie oftmals in „Reichsbürger“- und „Selbstverwalter“-Kreisen mit entsprechendem Verschwörungsglauben – um eine Aufwertung der eigenen Identität, in diesem Fall insbesondere durch die Auffassung, einer unabhängigen Volksgruppe anzugehören. Dabei beruft sich diese Gruppierung auf das Abstammungsprinzip. Das hat sie mit anderen „Reichsbürger“-Organisationen und Einzelpersonen gemein, die ihre Abstammung oft bis in die Zeit des Deutschen Reiches nachzuweisen versuchen.

Logo „Indigenes Volk Germaniten“

Das Logo der „Selbstverwalter“-Gruppierung. (Foto: Hompepage „Indigenes Volk Germaniten“)

Bereits 2017 hat sich das Bundesverwaltungsgericht eindeutig zum „Indigenen Volk Germaniten“ geäußert: Die Gruppierung wird nicht als indigenes Volk anerkannt. Zu den vermeintlichen Sonderrechten heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts vom 19. Mai 2017: „Die Inanspruchnahme von Sonderrechten für diese Gruppierung und ihre Angehörigen […], die das Völkerrecht für indigene Völker vorsieht, ist rechtlich offenkundig ausgeschlossen. Erst recht kann aus den von den Angehörigen dieser Gruppierung herangezogenen Rechtsquellen keine Staatsangehörigkeit neben oder anstelle der deutschen Staatsangehörigkeit oder eine ‚Staatlichkeit‘ neben oder anstelle der auf ihrem Territorium allein legitimen Staatsgewalt der Bundesrepublik Deutschland […] abgeleitet werden.“

Neue Aktionsform

Die „Germaniten“ fielen seit Beginn der Beobachtung des Milieus der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ durch die Verfassungsschutzbehörden vor allem durch den massenhaften Versand pseudojuristischer Schreiben an verschiedene Behörden sowie die Ausstellung eigener Fantasieausweise auf. Zwischenzeitlich finden bundesweit zahlreiche Vorträge von Führungspersonen des „Indigenen Volkes Germaniten“ statt. Des Weiteren wurde in mehreren Fällen die (beabsichtigte) Überschreibung von Eigentum von Privatpersonen an die Gruppierung als neue Aktionsform bekannt. Dies bezieht sich auf die Übertragung von Gegenständen – wie etwa Technik oder Hausinventar – sowie von Kraftfahrzeugen, Grundstücken und Immobilien. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg geht davon aus, dass den Eigentümern vermittelt wird, dass eine solche Übertragung die Besitztümer der Gruppierungsmitglieder sichert und sie etwa vor Zwangsversteigerungen und -räumungen schützt. Rechtlich bindend dürften die Übertragungen zumindest bei Häusern und Grundstücken ohne Weiteres zwar nicht sein, sie belegen jedoch das große Vertrauen der Mitglieder in den vermeintlich fundierten juristischen Sachverstand führender Akteure des „Indigenen Volkes Germaniten“.

Die grundlegend überarbeitete Außendarstellung der Gruppierung ist dazu geeignet, nicht nur bereits vorhandene Anhänger zu beeindrucken, sondern auch neue Mitglieder zu gewinnen. Das kann dazu führen, dass durch die Gruppierung „Indigenes Volk Germaniten“ zukünftig verstärkt Versuche unternommen werden, in deren Eigentumsverhältnisse einzugreifen. Sollten entsprechende Überschreibungen tatsächlich rechtswirksam werden, riskieren die Anhänger erhebliche, eventuell sogar existenzielle, finanzielle Verluste.

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