Die Auswirkungen von Terrorismus auf politische Abläufe sind vielfältig. Ein Beispiel dafür ist die seit Jahren zunehmend aggressivere Debattenkultur, in der gegen Migranten und Zuwanderung gehetzt wird. Themen der nationalen Sicherheit und die Anfeindung von Menschen anderer Hautfarben oder Glaubensrichtungen sorgen- auch wenn dies oftmals gegen die Werte des Grundgesetzes verstößt - dafür, dass rechtspopulistische Parteien Zulauf bekommen. Der Angriff eines afghanischen Staatsbürgers auf eine Kindergartengruppe im Januar 2025, bei dem ein zweijähriges Kind sowie ein 41-jähriger Mann starben, wirkt sich auch auf die anstehende Bundestagswahl aus und beweist erneut, dass politische Diskurse von solchen Ereignissen gekapert und überschattet werden können. Dass der Angriff nicht islamistisch motiviert war, ist in diesem Fall nur eine Randnotiz. Am Ende verankert sich in Teilen der Zivilgesellschaft das Bild des Migranten als Feind und Bedrohung für deutsche Staatsbürger.
Diese durch politische Motivation geförderten Angstgefühle zeigen die langfristigen Folgen von Terrorismus. Anschläge wirken sich aber auch ganz kurzfristig auf politische Prozesse aus– zum Beispiel indem sie sicher geglaubte Wahlausgänge kippen.
Die Anschläge von Madrid 2004 und die neue Regierung
Als am 11. März 2004 eine Reihe von Sprengstoffanschlägen den Madrider Berufsverkehr erschütterte und 200 Menschenleben forderte, wähnte sich die konservative Partido Popular (PP) unter José Maria Aznar als gesichert wiedergewählt. Noch wenige Tage zuvor lag sie mit zehn Prozentpunkten vor dem politischen Kontrahenten Partido Socialista Obrero Español (PSOE). Nach der Gewalttat und damit drei Tage vor den Wahlen behauptete die PP, dass der verheerende Angriff auf die baskische Separatistenorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA) zurückzuführen sei. Die PSOE warf der Regierung hingegen vor, einen islamistischen Anschlag verschleiern zu wollen. Tatsächlich war die PP daran interessiert der ETA den Anschlag zuzuschreiben, da ein islamistisch motivierter Angriff öffentliche Kritik am spanischen Irakeinsatz hervorgerufen hätte. Als die Ermittlungen tatsächlich auf einen islamistischen Hintergrund hindeuteten, änderte sich das Wahlverhalten der Bevölkerung schlagartig. Zum Wahltag holte die PSOE den Rückstand auf und gewann mit fünf Prozentpunkten Vorsprung vor der PP.
Die PP wollte durch den Fokus auf die ETA Wählerstimmen generieren und scheiterte, als ersichtlich wurde, wer wirklich hinter den Anschlägen steckte. Die Wahlniederlage ist die Konsequenz eines schlechten Krisenmanagements.
Dass ein politisch erfolgreicher Umgang mit den Nachwirkungen eines Terroranschlags auch das Gegenteil bewirken kann, zeigen die Entwicklungen nach dem 11. September 2001. Nach dem verheerenden Terroranschlag solidarisierten sich die Amerikaner mit der Regierung des damaligen Präsidenten George W. Bush. Durch die breite patriotische Unterstützung aus der Bevölkerung in der Krise (auch als „rally-phenomenon“ bekannt), konnte die amerikanische Regierung erst ihre weitreichende globale Agenda zum so genannten „War on Terror“ durchsetzen.
Starker demokratischer Staat, hohe Resilienz
Wie stark sich eine Gesellschaft von einem solchen Ereignis beeinflussen oder mobilisieren lässt, hängt von vielen Faktoren ab. Sicherlich ist ein richtiger Umgang und gut geführte Kommunikation – woran es im Falle Spaniens mangelte – eine Kernaufgabe politischer Akteure. In Transformationsphasen, wie einem Wahljahr, können die Reaktionen der Politiker das Wahlgeschehen stark positiv oder negativ beeinflussen.
Psychologische Analysen in der Vergangenheit belegen, dass insbesondere Wechsel- und Nichtwähler, und hier wiederum hauptsächlich Jugendliche und Personen aus sozial schwächeren und bildungsferneren Schichten, beeinflusst werden können. Folglich sind insbesondere jene demokratischen Systeme von instabilem Wahlverhalten gefährdet, die schwach mobilisiert sind, einen regelmäßig hohen Nichtwähleranteil besitzen und in denen unter den Bürgern geringe Bildungsniveaus und generelles Politikdesinteresse oder -misstrauen verbreitet sind.
Deutschland blieb bis heute von Anschlägen in der Größenordnung von den USA 2001, Madrid 2004, London 2005 oder Paris 2015 glücklicherweise verschont. Nichtsdestotrotz bleibt die Bundesrepublik ein Ziel terroristischer Akteure. Gerade zu gesellschaftsübergreifenden Großereignissen mit hohem medialem Interesse wie bei Wahlen, Sportevents oder kulturellen Veranstaltungen ist erhöhte Wachsamkeit geboten. Damit vereitelte oder erfolgreich durchgeführte Anschlagsversuche und ihre Androhungen keine größeren Transformationsprozesse und möglicherweise antidemokratische Entwicklungen anstoßen, bedarf es einer resilienten Demokratie mit einer interessierten und politik- sowie bildungsaffinen Bevölkerung.