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Spionageabwehr

Low-Level-Agents: Ein Q&A mit dem LfV BW

 
Sabotageaktivitäten und Vorbereitungshandlungen  der Russischen Föderation stellen eine Gefahr für Kritische Infrastrukturen (KRITIS) und für demokratische Prozesse in Deutschland dar. Jüngste Fälle, auch in Baden-Württemberg, zeigen, dass Russland hierfür verstärkt auf sogenannte Low-Level-Agents zurückgreift. Wie geht Russland vor? Weshalb erklären sich zum Teil sogar ukrainische Staatsangehörige hierfür bereit? Was unternimmt der Verfassungsschutz?
Brandanschlag auf Kritische Infrastruktur (KI-generiert)
Brandanschlag auf Kritische Infrastruktur (KI-generiert)

Was sind Low-Level-Agents?

Low-Level-Agents, auch Proxies oder Wegwerfagenten genannt, sind Personen, die von ausländischen Nachrichtendiensten angeworben werden, um einfache Tätigkeiten im Bereich der Spionage, Sabotage oder Propaganda durchzuführen. Aktuell steckt meist Russland dahinter – der russische Auftraggeber verschleiert seine Beteiligung jedoch, unter anderem durch mehrstufige Befehlsketten. Russland lockt mit einer Bezahlung von häufig mehreren Hundert Euro pro Aktivität. Ob das Geld fließt, ist ungewiss – die Strafverfolgung allerdings garantiert.

Sind Low-Level-Agents auch in Baden-Württemberg aktiv?

Vor wenigen Wochen ließ die Bundesanwaltschaft drei ukrainische Staatsangehörige, einen davon in Baden-Württemberg, festnehmen, weil sie sich gegenüber russischen staatlichen Stellen zu Brand- und Sprengstoffanschlägen auf den Gütertransport in Deutschland bereit erklärt haben sollen. Hierzu sollen sie bereits Pakete aufgegeben haben, um mittels GPS-Trackern Transportwege für künftige Aktivitäten auszukundschaften. Dies ruft mehrere Vorkommnisse aus dem Juli 2024 in Erinnerung, als unter anderem ein mit hochentzündlichen Brennstoffen präpariertes Paket auf dem Rollfeld des Flughafens Leipzig/ Halle in Flammen aufging – glücklicherweise zündete der verbundene Zeitzünder nicht in der Luft. Ein Flugzeugabsturz und der Tod von Besatzung und Anwohnern wurde bewusst in Kauf genommen.

In Litauen und Polen wurden mehrere mögliche Low-Level-Agents verhaftet, die Brandanschläge auf Einkaufszentren geplant und bereits verübt hatten. In Großbritannien wurde jüngst eine Gruppe bulgarischer Staatsangehöriger zum Teil zu über zehnjährigen Haftstrafen verurteilt, da diese für Russland spioniert hatten. Ihre Aktivitäten richteten sich auch gegen US-Militäreinrichtungen in Stuttgart.

Warum verwendet Russland Low-Level-Agents?

Russlands völkerrechtswidriger Krieg gegen die Ukraine ist bereits seit 2014 geprägt von hybriden Maßnahmen (PDF). Das bedeutet, dass das militärische Agieren begleitet ist von Spionage, Sabotage, Cyberangriffen und Desinformation. Russland versucht, die ukrainische Zivilbevölkerung zu zermürben und die Bereitschaft in Deutschland und anderen wichtigen Unterstützerstaaten zu untergraben, die Ukraine weiter zivil und militärisch zu unterstützen.

Sabotage soll physische Schäden anrichten, beispielsweise an der Stromversorgung oder dem Schienenverkehr und suggerieren, dass Demokratien nicht in der Lage sind, ihre Bevölkerung zu schützen. Gleichzeitig beobachtet Russland die Abwehrmaßnahmen, um künftige Angriffe anzupassen. 

Low-Level-Agents sind für Russland eine einfache Möglichkeit für Aktionen, die nur wenig Fachwissen oder Training erfordern. Bei Aufdeckung und Verhaftung streitet Russland jegliche Beteiligung ab, distanziert sich von den Auftragstätern und sucht neue Freiwillige. Während russische Nachrichtendienste großen Aufwand betreiben, um eigene Mitarbeitende zu schützen, sind Low-Level-Agents für Russland entbehrlich.

Wie wählt Russland mögliche Low-Level-Agents aus?

Menschen arbeiten aus verschiedenen Motiven für ausländische Nachrichtendienste, vor allem aus finanziellen und ideologischen Gründen oder aus Geltungsdrang. So bietet auch Russland bei den Rekrutierungsversuchen über Messengerdienste oder soziale Medien finanzielle Kompensation an, schmeichelt das Ego durch Betonung des bedeutungsvollen Auftrags oder stellt Kernelemente westlicher Demokratien als schwach und unterlegen dar.

Der Verfassungsschutz beobachtet, dass Täter häufig sehr jung – zum Teil minderjährig – sind, dass sie ein hohes Geltungsbewusstsein haben und dieses in sozialen Medien zur Schau stellen oder dass sie sich in der Vergangenheit bereits positiv über Russland oder andere autoritäre Regime geäußert haben. Für Russland ist es relativ einfach, diese Art Informationen anhand öffentlicher Quellen (sogenanntes Open Source Intelligence, OSINT) in Erfahrung zu bringen, um geeignete Täter zu identifizieren. Grundsätzlich gilt: Je mehr Informationen offen über das Internet geteilt werden, desto einfacher können diese auch von böswilligen Akteuren genutzt werden.

Auch ukrainische Flüchtlinge stehen im Fokus Russlands, beispielsweise wenn diese seit vielen Jahren in Russisch besetztem Gebiet gewohnt hatten, indoktriniert wurden und sich nicht durch die ukrainische Zentralregierung repräsentiert sehen. Low-Level-Agents stellen ihre eigenen finanziellen Motive über die verheerenden Auswirkungen ihrer Taten und sind sich der politischen Tragweite, und vor allem der strafrechtlichen Konsequenzen, ihres Handelns häufig nicht bewusst. Zum Teil wissen sie nicht, dass sie für einen ausländischen Nachrichtendienst tätig werden. 

Was unternimmt der Verfassungsschutz, um Deutschland zu schützen?

Wenn deutsche Sicherheitsbehörden neue Gefahren entdecken, informieren sie zielgerichtet die betroffenen Stellen und Personen. So warnt ein aktueller Flyer des Bundesamts für Verfassungsschutz vor der Gefahr durch Low-Level-Agents und ruft die Bevölkerung zur Mitarbeit auf.



BfV-Flyer warnt in vier Sprachen vor Low-Level-Agents
BfV-Flyer warnt in vier Sprachen vor Low-Level-Agents

Im Rahmen des gesetzlichen Auftrags kooperieren Sicherheitsbehörden, vor allem die Polizeien und die Nachrichtendienste, innerhalb Deutschlands und darüber hinaus. Dem Verfassungsschutz kommt die zentrale Rolle bei der Gefahrenfrüherkennung zu; sobald ein Strafverfahren eröffnet wurde, unterstützen Polizei und Nachrichtendienste die Staatsanwaltschaft durch Übermittlung von gerichtsverwertbaren Hinweisen. 

Spionage und Sabotage sind kein Kavaliersdelikt: Auf Agententätigkeit zu Sabotagezwecken steht eine Strafe von bis zu fünf Jahren (§ 87 Strafgesetzbuch/ StGB), auf geheimdienstliche Agententätigkeit in besonders schweren Fällen eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren (§ 99 StGB). Auch auf Brandstiftung steht eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren (§ 306 StGB). Kommen dabei Menschen ums Leben, kann das Strafmaß darüber liegen. 

Egal, was Auftraggeber versprechen: Ausländische Staaten können und wollen Low-Level-Agents nicht vor Strafe schützen und werden weder Geldstrafen übernehmen noch einen erforderlichen Rechtsbeistand finanzieren.

Wo erhalte ich weitere Informationen?

Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfV BW) berichtet auf seiner Homepage regelmäßig über aktuelle Themen, auch über Sabotage, Cyberangriffe oder Einflussnahme und Desinformation

Im Juni 2025 erscheint der neue Verfassungsschutzbericht des LfV BW, in dem auch die Spionage- und Cyberabwehr ausführlich über ausländische Nachrichtendienste, deren Aktivitäten und staatliche Gegenmaßnahmen in Baden-Württemberg informiert. 

Folgende Webseiten des Verfassungsschutzes bieten weiterführende Informationen zum Thema:

 Spionage- und Cyberabwehr des LfV BW zum Flyer Low-Level-Agents

Themenseiten der Spionage- und Proliferationsabwehr des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV)

Aktuelle Veröffentlichungen des Verfassungsschutzverbunds

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