Auch die drei in Baden-Württemberg aktiven türkisch-rechtsextremistischen Dachverbände nutzen die Freizeitangebote ihrer Mitgliedsvereine, um die Ideologie der „Grauen Wölfe“ zu propagieren. Die Aktivitäten sind breit gefächert und sprechen meist die ganze Familie an. Das soziale Leben soll immer stärker in den Verein rücken. Egal ob bei Grillfesten, religiösen Feierlichkeiten oder bei Fußballveranstaltungen: Der übersteigerte Nationalismus, die ethnischen und religiösen Feindbilder sowie die ausgeprägte Israelfeindlichkeit bis hin zum Antisemitismus der „Ülkücü“-Bewegung schwingen häufig mit.
Der Fußball bietet vor allem männlichen Jugendlichen einen niedrigschwelligen Zugang ins Umfeld der „Grauen Wölfe“. Das gilt auch für Jugendliche, deren Angehörige keine Vereinsmitglieder sind. Oft melden sich Mannschaften mit Verbindungen zur „Ülkücü“-Bewegung für Turniere an, die auf den ersten Blick keinen Extremismusbezug vermuten lassen. Der Verein „Türkische Gemeinschaft in Heilbronn e.V.“ ist Mitglied des türkisch-rechtsextremistischen Dachverbands ADÜTDF („Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V.“) und teilte 2023 einen Facebook-Beitrag über die eigene Jugendmannschaft. Diese nahm am 4. und 5. Januar 2025 an einem Hallenturnier mit 30 Amateurmannschaften in Neckarsulm teil. Unter dem Deckmantel des Freizeitturniers konnte sich die Mannschaft als gemäßigt darstellen und wirkte auf Ausstehende wie ein gewöhnlicher lokaler Fußballverein. Dies entspricht der Strategie der Dachverbände, ein moderates Außenbild zu wahren.
Fußball als Katalysator für das Zugehörigkeitsgefühl
Die Dachverbände und Mitgliedsvereine organisieren auch selbst Fußballveranstaltungen. Am 28. Januar 2024 fand ein Fußballturnier für männliche Jugendliche eines baden-württembergischen ADÜTDF-Gebiets in Reutlingen statt. Anlass hierfür war das 100-jährige Bestehen der Republik Türkei. Nach dem Turnier veröffentlichte die ADÜTDF Bilder auf Facebook. Darauf sind Teilnehmer zu sehen, die vor der türkischen Flagge stehend den sogenannten Wolfsgruß zeigen. Der „Graue Wolf“ („Bozkurt“) dient türkischen Rechtsextremisten als Erkennungssymbol.

Auch wenn solche Veranstaltungen zunächst harmlos erscheinen, schwingt die menschenfeindliche Ideologie des türkischen Rechtsextremismus zumindest in Teilen mit. Dies veranschaulicht der Flyer eines für den 25. Mai 2025 angekündigten Jugendcamps eines ADÜTDF-Gebiets in Baden-Württemberg. Dabei soll es einen Sporttag mit Fußball anlässlich des türkischen Nationalfeiertages am 19. Mai zum Gedenken an den Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk geben. Auch wenn der Kemalismus im türkischen Rechtsextremismus weit verbreitet ist, so ist dieser für sich genommen nicht als rechtsextremistisch zu bewerten. Bei den meisten Kemalisten handelt es sich nicht um türkische Rechtsextremisten. Dagegen sind die zwei auf dem Flyer abgebildeten heulenden Wölfe ein deutliches Indiz dafür, dass das Camp keineswegs frei von extremistischen Inhalten stattfinden wird.

Der „Türkische Kulturverein Türkocagi“ in Mannheim, der ebenfalls zur ADÜTDF gehört, teilte am 1. Mai 2024 einen Flyer auf Facebook, der die Verwobenheit zwischen dem Fußball und der nationalistischen Ideologie der „Grauen Wölfe“ noch deutlicher macht. Er kündigte für den 2. Juni 2024 ein Fußballturnier in Bonn/Nordrhein-Westfalen zu Ehren von Alparslan Türkeş an, dem Gründer der rechtsextremistischen türkischen „Partei der Nationalistischen Bewegung" („Milliyetçi Hareket Partisi", MHP). Türkeş, auch „Başbuğ“ („Oberster Befehlshaber“ beziehungsweise „Oberster Führer“) genannt, gilt als einer der bedeutendsten ideologischen Vordenker und Symbolfiguren des türkischen Rechtsextremismus.
Bewertung
Der Fußball erfüllt innerhalb des türkischen Rechtsextremismus verschiedene Funktionen. Zum einen ist er wesentlicher Bestandteil des Freizeitangebots, um den Lebensmittelpunkt der Mitglieder und deren Angehörigen möglichst in die Vereine zu verlagern. Dies kann nicht nur den Zusammenhalt der Mitglieder stärken, sondern auch ihre Identifikation mit dem Verein, dem Dachverband und letztlich mit der rechtsextremistischen „Ülkücü“-Bewegung selbst. Kinder und Jugendliche, die in einem solchen Umfeld aufwachsen, können die Ideologie als harmlos wahrnehmen. Mit Blick auf die Feindbilder des türkischen Rechtsextremismus und den übersteigerten Nationalismus können solche Entwicklungen einer gelungenen Integration von Jugendlichen mit Türkeibezug in die hiesige Gesellschaft entgegenstehen.
Zum anderen dient Fußball als Rekrutierungsinstrument. Mannschaften, die in Verbindung zu den „Grauen Wölfen“ stehen, werden bei gewöhnlichen Freizeitturnieren von der breiten Öffentlichkeit oft nicht als solche erkannt. Damit dienen sie auch gegenüber eigentlich unpolitischen Jugendlichen als niedrigschwelliger Zugang ins Umfeld der „Grauen Wölfe“. Die Jugendlichen verbringen häufig viele Stunden auf dem Fußballplatz, werden Teil der Mannschaft und fühlen sich zugehörig. Ebendieses Zugehörigkeitsgefühl wirkt beim ersten Kontakt mit extremistischen Inhalten häufig als Türöffner und kann dazu führen, dass Jugendliche die Ideologie eher akzeptieren.