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RECHTSEXTREMISMUS

Schulen im Visier von Rechtsextremisten: Identitäre verteilen Flugblätter zu "Remigration"

An mehreren Schulen in Deutschland verteilten Aktivisten der „Identitären Bewegung" (IB) jüngst Flyer zum Thema „Remigration“. Auch in Baden-Württemberg tauchten die Flugblätter auf, die gezielt an Schülerinnen und Schüler gerichtet sind und Misstrauen gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund schüren. Es ist damit zu rechnen, dass die Gruppe ihre Propaganda an weiteren Schulen verbreitet, um junge Menschen für sich zu gewinnen.

Ende April dieses Jahres rief die „Identitäre Bewegung“ (IB) eine Flyer-Kampagne ins Leben, die sich gezielt an Schülerinnen und Schüler richtet. Bundesweit verteilten die Rechtsextremisten an mehreren Orten Flugblätter an und im Umfeld von Schulen. Auch in Baden-Württemberg tauchte der Flyer an Schulen in Ulm und Stuttgart auf. Anders als im bayerischen Spardorf, wo sich die IB-Aktivisten provokativ mit Liegestühlen in der Nähe einer Schule positionierten und sie die Schülerschaft direkt ansprachen, wurden die Flugblätter an den baden-württembergischen Schulen nur im Außenbereich abgelegt.

„Lehrer hassen diese Fragen“

Die Vorderseite des Flyers lässt nicht auf die Urheberschaft durch Rechtsextremisten schließen. Hier steht lediglich der Satz „Lehrer hassen diese Fragen“, womit Schülerinnen und Schüler neugierig gemacht werden sollen. Auf der Rückseite sind fünf kurze Fragen mit seriös anmutenden Antworten abgedruckt. Mit den Inhalten will die IB pauschal Misstrauen und Unbehagen gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund schüren. Ausdrücklich wirbt sie hierbei für „Remigration“ als vermeintliche Lösung nahezu aller gesellschaftlichen Probleme. Schlussendlich ruft die Gruppe mit den Worten „Wehr dich, werde aktiv!“ dazu auf, sich ihr anzuschließen. So ist es neben der Verbreitung ihrer Schlagworte und Argumente sicher auch ein Ziel der Kampagne, neue Mitglieder im Jugendalter anzuwerben.

So berichtet die IB selbst auf der Plattform X über ihre Flyer-Kampagne an Schulen. Die Formulierung legt dabei nahe, dass die IB die Flyer-Kampagne als noch nicht abgeschlossen betrachtet. Im zugehörigen Foto sind Vorder- und Rückseite des verteilten Flugblatts zu sehen. Neuerdings verwendet die Gruppe wieder ihr ursprüngliches Logo, das Lambda-Symbol, das auch unten auf der Rückseite des Flyers mittig platziert wurde.

Die IB Deutschland teilte Fotos des Flugblatts auf ihren Social-Media-Präsenzen und behauptete dazu, der Flyer sei „aktuell das Thema Nummer 1 auf dem Pausenhof“. Daneben veröffentlichte sie im Abstand von einigen Tagen mehrere Videos, auf denen sich IB-Mitglieder gezielt an Schülerinnen und Schüler wenden. In einem der Videos propagiert beispielsweise eine Aktivistin: „Lehrer schauen weg, während deutsche Schüler unter den Zuständen leiden.“ Alle Videos münden in der Botschaft: „Viele Fragen und wie immer gibt’s nur eine Antwort: Remigration“. Der baden-württembergische IB-Ableger, der derzeit unter dem Namen „Reconquista 21“ (R21) aktiv ist, bewarb die Kampagne ebenfalls auf der Plattform X. 

Selbstbewusstes Auftreten und Sichtbarkeit

Über einen längeren Zeitraum hatte die IB auf die Verwendung des „Lambda“-Symbols, ihres ursprünglichen Erkennungszeichens, verzichtet ­– aus Sorge vor repressiven Maßnahmen und Sperrungen auf Social Media. Auf dem Kampagnen-Flyer ist das Zeichen nun wieder zu sehen. Dies spricht für eine Rückkehr zu einer offensiveren Strategie der rechtsextremistischen Gruppierung. Womöglich steht das selbstbewusstere Auftreten auch im Zusammenhang mit entsprechenden Andeutungen der IB, im Rahmen künftiger Wahlen sichtbarer aufzutreten. 

Die Kampagne wurde seitens der Presse vielfach thematisiert, was die IB im Nachhinein als „metapolitischen Erfolg“ wertete. So habe man es geschafft, Sichtbarkeit für die eigene Gruppe und ihre Argumente zu erzeugen. Es ist damit zu rechnen, dass die Gruppe die Flugblätter auch zukünftig an Schulen verteilt – möglicherweise in Verbindung mit offensiven Ansprachen wie in Spardorf/Bayern.

Hintergrund: Die „Identitäre Bewegung“ und „Reconquista 21“

Die rechtsextremistische „Identitäre Bewegung“ (IB) spricht in erster Linie junge Menschen an und vertritt fremdenfeindliche und islamfeindliche Positionen. Sie versteht sich als „aktionsorientierter Widerstand“ und verbreitet ihre extremistischen Botschaften vor allem im Internet sowie über Banner- und Plakataktionen. In Baden-Württemberg tritt die Gruppierung aktuell unter der Bezeichnung „Reconquista 21“ (R21) auf. Der Verfassungsschutz Baden-Württemberg rechnet ihr derzeit etwa 100 Personen zu. 

Die Anhänger der IB bekennen sich zum rechtsextremistischen Konzept des „Ethnopluralismus“. Dieses Denkmodell geht von der Existenz einzelner Völker be­ziehungsweise Ethnien aus, deren jeweilige kulturelle Eigenschaften durch Vermischung bedroht sind. Jedes Volk solle deshalb ausschließlich auf dem eigenen Territorium leben und auf diese Weise seine Identität bewahren. Dementsprechend fordert die IB unter dem Schlagwort „Remigration“ die Umkehrung von Migrationsbewegungen.