Islamismus

Serie „Salafistische Netzwerke im Wandel“ | Teil 4: Hussein FARES

Hussein FARES ist ein wichtiger Akteur der salafistischen Szene in Stuttgart. Wenngleich er lose Kontakte zu verschiedenen salafistischen Moscheen in der Region unterhält, ist er doch ein Einzelgänger. Eine Besonderheit ist seine Offenheit für Kontakte mit Frauen. Zudem unterhält er Beziehungen nach Ägypten und Saudi-Arabien.

FARES, ein Ingenieur der Elektrotechnik, ist seit über zehn Jahren einer der Hauptakteure der islamistischen Szene in Stuttgart. Anders als Pierre VOGEL, Marcel KRASS und Neil BIN RADHAN ist seine Präsenz im Online-Bereich jedoch marginal: Er unterhält keinen YouTube-Kanal, und auf Facebook ist er mit lediglich 438 Menschen verbunden. Als politischer Salafist versucht er, dem Ziel der islamischen Gesellschaftsordnung durch „Da’wa“ näherzukommen. Er hält regelmäßig Vorträge zu Themen wie Tod, Jenseits, Bittgebete oder Reinigung der Seele. Allerdings bleibt bislang unklar, was ihn zu entsprechenden Vorträgen befähigt: Es liegen keine Informationen darüber vor, ob und wenn ja wo er eine – wie auch immer gelagerte – religiöse Ausbildung erhalten hat. 

Ägypten: Herkunft und ideologische Bezüge

FARES wurde in den 1950er Jahren in Ägypten geboren und wuchs in Port Said auf. Bereits Ende der 1970er Jahre reiste er nach Deutschland ein. Nach wie vor pflegt er Verbindungen in sein Herkunftsland – darunter auch solche, die möglicherweise Einfluss auf seine salafistische „Da’wa“ in Baden-Württemberg haben. 

Sein überwiegend in arabischer Sprache bestücktes Facebook-Konto zeugt davon, dass er sich im ideologischen Umfeld von verschiedenen salafistischen Gelehrten aus Ägypten bewegt; zu nennen sind hier zum Beispiel die beiden Fernsehprediger Abu Ishaq AL-HEWANI und Mustafa AL-ADAWI. AL-HEWANI ist vor allem für seine rigiden Vorstellungen über Frauen bekannt. Als eine prominente Stimme des salafistischen Senders „Al-Nas TV“ sorgte er dafür, dass Frauen dort keine Sendezeit erhalten. In Äußerungen zum Jihad legitimierte er zudem die Versklavung von Nichtmuslimen. 
AL-ADAWI ist im salafistischen Spektrum hingegen eine umstrittene Figur. Im Zuge des Umbruchs in Ägypten 2011 warb er für die Stimmabgabe bei Wahlen, insofern die betreffende Partei die Gesetzgebung Allahs etablieren möchte. Viele Salafisten lehnen die Beteiligung an demokratischen Wahlen hingegen ab. Vor diesem Hintergrund erhielt AL-ADAWI von einigen Akteuren die abwertenden Zuschreibungen „Hizbi“ oder „Qutbi“, die seine Befürwortung des Parteienwesens (hizb bedeutet Partei) und eine Nähe zur „Muslimbruderschaft“ (über deren frühen Exponenten Sayyid Qutb) kritisierten. 

Es gibt aber offensichtlich auch Verbindungen in die andere Richtung – mittels derer FARES als salafistischer Akteur aus Deutschland Einfluss auf die Szene in Ägypten nimmt. Davon zeugt ein Foto, das FARES bei einer Vortragsveranstaltung in Port Fouad im Jahr 2012 zeigt. 

Deutschland: Einzelgänger und Frauenversteher

Seit über zehn Jahren ist FARES ein vielseitig aktiver Akteur in Baden-Württemberg. Bezüge hat er vor allem zu salafistischen Einrichtungen in Stuttgart, aber auch im Umland. Eine besondere Funktion nimmt er  im „Islamischen Bund e. V.“ ein; mit wöchentlichen Vorträgen gestaltet er die Ausrichtung der Moschee regelmäßig mit. Für das „Deutschsprachige Islamische Zentrum Sindelfingen e. V.“ (DIZS) und das „Islamische Zentrum Stuttgart e. V.“ (IZS) organisiert er zudem Infotische in der Stuttgarter Innenstadt, wo er selbst als Ansprechpartner für interessierte Passanten auftritt und auf klassische Szeneliteratur aufmerksam macht. 

Auf den ersten Blick erscheint FARES als wichtiger Netzwerker in der regionalen salafistischen Szene. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch ein ambivalentes Bild: Zwar sind auch andere salafistische Akteure fest in die Strukturen des „Islamischen Bunds e. V.“ eingebunden, doch finden nie gemeinsame Veranstaltungen mit Hussein FARES statt. Das gleiche gilt für das DIZS und das IZS. Auch der Telegram-Kanal „Durus“ kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Stuttgarter Szene latente Konkurrenz unter der Oberfläche herrscht: Der Kanal gibt Hinweise auf Veranstaltungen für den Stuttgarter Raum; Berücksichtigung finden zum Beispiel Hussein FARES, Fathy EID und „Abu Mikael“. Eine Veranstaltung steht neben der anderen, das scheinen die Akteure zu tolerieren, aber gemeinsame Auftritte und Projekte gibt es nicht. 

Im Fall von Hussein FARES ist darüber hinaus zu berücksichtigen, welchen Netzwerken er dezidiert nicht angehört und angehört hat: zum Beispiel dem „Hohen Rat der Gelehrten und Imame in Deutschland e. V.“ (HRGID), der bis zu seiner Auflösung im Jahr 2015 den Anspruch hatte, als Dachverband salafistischer Gelehrter zu fungieren. Zu nennen ist hier ebenso der „Ausschuss für Mondsichtung – Deutschland“, der über die Datierung von islamischen Feiertagen nach Deutungshoheit für muslimisches Leben strebt [einige Informationen hier].  Beide Zusammenschlüsse waren bzw. sind fest in Baden-Württemberg verankert. Vor diesem Hintergrund entsteht der Eindruck, dass Hussein FARES szeneintern eher ein Einzelgänger ist. 

Interessant ist jedoch FARES’ Verhältnis zu Frauen. Anders als viele salafistische Akteure steht er dem Kontakt mit Frauen offen gegenüber. Das belegen auch die Angaben auf seinem Facebook-Account, wo Frauen einen nicht geringen Teil seiner „Freunde“ ausmachen. Bekannt ist zudem, dass er auch mit Frauen kommuniziert, die an den Infotischen von IZS und DIZS vorbeikommen. Manchmal entstehen daraus jahrelange Freundschaften. Damit unterscheidet er sich von salafistischen Akteuren wie Fathy EID, der die propagierte Geschlechtersegregation stärker umsetzt. Indem er sich immer wieder öffentlich zu weiblichen Rollenzuschreibungen äußert, geriert sich FARES als Ansprechpartner für Frauen in religiösen Fragen. Seine Äußerungen sind dabei zuweilen nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu vereinbaren. So weist er die Frauen darauf hin, ihren Körper zu verhüllen, und droht mit dem Zorn Gottes, wenn sie dem nicht nachkommen. Zudem positioniert er sich öffentlich für Polygynie. 

In seinen wöchentlichen Vorträgen für den „Islamischen Bund e. V.“ dominierten zuletzt Themen wie die Möglichkeiten für Muslime, Gott näherzukommen, aber auch die Bedeutung der Bittgebete und der Weg ins Paradies. Augenscheinlich handelt es sich um unproblematische Themenfelder. Dennoch besteht die Gefahr, dass FARES durch sein Engagement zu einer weiteren Radikalisierung bis hin zum Jihadismus beiträgt. Dass es sich dabei nicht um eine theoretische Gefahr handelt, zeigt das Beispiel einer jungen Frau aus Baden-Württemberg: Sie stand zunächst unter anderem unter FARES’ Einfluss, später reiste sie nach Syrien aus, um sich dem IS anzuschließen. 2019 kam die junge Frau bei Kämpfen um die damals letzte IS-Bastion Baghuz/Syrien ums Leben. 

Saudi-Arabien: Transnationaler Familienverbund 

Neben den Verbindungen nach Ägypten unterhält FARES seit einigen Jahren Kontakte nach Saudi-Arabien. Dabei spielt sein Sohn Karim FARES eine wichtige Rolle: Er steht hinter dem salafistischen Bildungsprojekt „Islamictutors“ und ist, wie viele seiner Mitstreiter in der Organisation, offenbar Medina-Student. Karim FARES lernt also an der Islamischen Universität Medina, dem Missionierungszentrum der Wahhabiten. An dieser Universität studieren vor allem Muslime aus dem Ausland, die das dort Gelernte anschließend in ihre Heimatländer tragen sollen. „Islamictutors“ wiederum wendet teilweise Methoden aus Medina für ihre Kurse an, so basiert etwa der Arabischunterricht auf den Medina-Lehrbüchern.

Gemeinsam mit seinem Sohn führte Hussein FARES zuletzt auch immer wieder deutschsprachige Vortragsveranstaltungen über den Videokonferenz-Anbieter Zoom durch. Manchmal kommt es außerdem zu Projekten in Saudi-Arabien. Im Jahr 2017 vollzogen beide die große islamische Pilgerfahrt, den Hadsch. Hussein FARES war damals Ansprechpartner eines auf Pilgerfahrten spezialisierten Reiseunternehmens für die Reisegruppe aus Stuttgart – und hat damit wahrscheinlich eine Einfluss-Funktion bei diesem Ereignis übernommen.

Fazit: Einzelgänger mit wechselseitigen Beziehungen und unklare Befähigung

Hussein FARES ist ein Einzelakteur, der aber immer wieder Berührungspunkte mit salafistischen Netzwerken hat. Wenngleich es in der Regel zu keiner engen Kooperation kam, ist dennoch von einer starken wechselseitigen Beeinflussung auszugehen. Nicht zu unterschätzen ist der transnationale Aspekt. Eine besondere Bedeutung kommt dabei seinen familiären Banden nach Saudi-Arabien zu.

Unklar ist, woraus sich FARES’ religiöse Autorität speist: Es ist nicht bekannt, woher er sein religiöses Wissen bezieht und unter welchen Gelehrten er studiert hat. Das ist in der salafistischen Szene durchaus ungewöhnlich; für exponierte Akteure sind Angaben zur eigenen religiösen Ausbildung ein Aushängeschild. Eine zentrale Rolle nimmt dabei das „Ijaza“-Konzept ein, eine Lehrerlaubnis, die es einem Schüler gestattet, Inhalte eines Textes weiterzuvermitteln. Trotzdem wird deutlich, welchen Einfluss FARES auf Einzelpersonen haben kann. 

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