ISLAMISMUS

Serie „Salafistische Netzwerke im Wandel“ |
Teil 8: Amen DALI

Der politische Salafist Amen DALI ist in den letzten Jahren zu einem zentralen Akteur in Baden-Württemberg avanciert, der sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen Anklang findet. Geholfen hat ihm dabei vor allem Neil BIN RADHAN und sein Netzwerk. Methodisches Rüstzeug hat DALI darüber hinaus aus Kreisen der Muslimbruderschaft erhalten.

Amen DALI wurde 1983 in Tunesien geboren. Wenige Monate später zogen seine Eltern mit ihm nach Deutschland. DALI, der Informatik studiert hat, begann wahrscheinlich in seinen frühen 20er Jahren sich zu radikalisieren und Anschluss an die salafistische Szene zu suchen. 

Obwohl er in der Vergangenheit mehrmals seinen Wohnort zwischen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gewechselt hat, weist seine Moschee-Verortung eine lange Kontinuität auf: Von 2008 bist 2017 war er Imam am Omar Al-Faruq Center in Mannheim. Dann hat er seinen Wohnort erneut gewechselt und predigt seither in der Bilal-Moschee in Frankfurt. Dennoch hat sich Amen Dali in den letzten Jahren zu einem zentralen Akteur in Baden-Württemberg entwickelt. Aber auch bundesweit genießt er Ansehen: Vortragsveranstaltungen führten ihn allein in den letzten drei Jahren zu einschlägigen Moscheen in Frankfurt am Main, Bonn, Bremen, Darmstadt, Offenbach und Kiel. Ein markantes Merkmal ist sein Streben nach einer möglichst breiten Zielgruppe. So richtet er sich in seinen Vorträgen zum Teil explizit an Kinder und Jugendliche. Dem gegenüber steht seine ehemalige Tätigkeit als Krankenhausseelsorger, bei der er Patienten muslimischen Glaubens begleitete. DALI betreibt einen eigenen YouTube-Kanal, der aktuell 5.000 Abonnenten hat. Seit 2013 wurden die dort eingestellten Videos 350.000 Mal aufgerufen. Sein Facebook-Account weist 4.500 Follower auf, auf Telegram sind es 1.360.  

Die auf diesen Social-Media-Accounts verbreiteten Inhalte zeugen von DALIs salafistischer Weltsicht: Er fordert immer wieder eine Orientierung an den as-salaf as-salih (frommen Altvorderen) und vor allem an Mohammed und propagiert regelmäßig Aussagen, die in der Tradition der salafistischen Doktrin al-wala wa-l-bara (Loyalität und Lossagung) stehen. Als politischer Salafist drängt DALI auf Da’wa: „Mehr Hijab, mehr Bärte, mehr Aufruf zum Islam.“ Klassischerweise rahmt er das gesamte Leben ideologisch. In Hinblick auf die Corona-Pandemie empfahl er zum Beispiel „Fasten statt Hamsterkäufe“ und die rituelle Reinigung. In einem Beitrag mit dem Titel „Iman-Corona-Test“ fragte er seine Anhänger: „Woran hängt dein Herz eher? Impfstoff oder Allah?“ In einem anderen Beitrag forderte er die Muslime auf, sich mehr mit Allah als mit dem Coronavirus zu beschäftigen. Wenngleich er Gewalt abzulehnen scheint und Anschläge missbilligt, die von Muslimen ausgeführt werden, fehlt es ihm an Reflexionsvermögen. Er nennt solche Anschläge „Missbrauch der Religion“ und betont, dass der Islam damit nichts zu tun habe. Dabei verkennt er die ideologischen Gemeinsamkeiten des politischen und jihadistischen Salafismus. Denn politische Salafisten wie DALI können den Nährboden für eine jihadistische Radikalisierung bereiten.  

Rustikale Da’wa mit bundesweit bekannten Stars 

DALI selbst machte in den letzten 15 Jahren eine Entwicklung durch, die sich in seinen Netzwerkanbindungen widerspiegelt. So waren seine ersten Jahre als salafistischer Akteur von einer Nähe zu eher rustikal auftretenden Stars wie Hassan DABBAGH und Pierre VOGEL geprägt. DABBAGH, der Imam der Al-Rahman-Moschee in Leipzig ist, tourte ab 2005 mit Abdul Adhim KAMOUSS und Mohamed BENHSAIN mit Vorträgen durch Deutschland. Ungefähr zur gleichen Zeit etablierte Pierre VOGEL mit Ibrahim ABOU-NAGIE das Internetportal „Die wahre Religion“. Wenngleich DALI nicht Teil dieser beiden Netzwerke war, so scheint er jedoch die Nähe der damaligen Star-Propagandisten gesucht zu haben. DALI lud DABBAGH zum Beispiel zu einem Vortrag nach Mannheim ein. Mit VOGEL hatte DALI einen gemeinsamen Auftritt bei einem Vortrag mit dem Titel „Islam. Die am schnellsten wachsende Religion der Welt. Was steckt wirklich dahinter?“.  

BIN RADHAN und die salafistische Intelligenzia 

Spätestens ab dem Jahr 2010 wurde DALI jedoch Teil des Netzwerkes um Neil BIN RADHAN und Ibrahim FATHY EID. Er war im Vorstand des Hohen Rates der Gelehrten und Imame in Deutschland e. V. (HRIGD), der sich als „islamisch, wissenschaftlicher Verein“ präsentierte. Der HRIGD strebte danach, als Fatwa-Institution für Muslime in Deutschland wahrgenommen zu werden. Zugleich bildete er Imame aus. Bei dem von BIN RADHAN gegründete Darulkitab Verlagshaus veröffentlichte DALI zudem eigene Bücher. Und über dieses Netzwerk schloss er Kontakte zu weiteren Einrichtungen in Baden-Württemberg. So veranstaltete er Vortragsreihen im Islamischen Zentrum Stuttgart e. V. (IZS) und später auch in anderen Stuttgarter Moscheen. 

Seit drei Jahren scheint jedoch ein Ablösungsprozess vom BIN-RADHAN-Netzwerk stattzufinden. DALI versucht nun vielfach, eigene Projekte umzusetzen, die jedoch deutlich von BIN RADHAN und seinen Ideen inspiriert sind. So gründete er vor einiger Zeit den Tazkiya Verlag. Hier veröffentlichte DALI auch den zweiten Band seiner Reihe „Sein sind die schönsten Namen“ (ein Buch über die Namen Allahs), dessen erster Band 2016 noch beim Darulkitab Verlagshaus erschienen ist. Ab 2018 führte er zudem Online-Kurse im Namen des Tadabbur Instituts durch. Inzwischen wirbt er mit dem Namen „Lehrgang Islamwissenschaften“ für Online-Kurse. Sowohl das Tadabbur Institut als auch der „Lehrgang Islamwissenschaften“ erinnern an BIN RADHANs Islam-Akademie.  

Der Bund salafistischer Reiseveranstalter 

Mit DALIs Loslösung vom BIN-RADHAN-Netzwerk fand ab 2018 eine Annäherung zu einem zentralen Netzwerk salafistischer Reiseanbieter statt. DALI selbst fungierte ab diesem Jahr für das Unternehmen Blck Stone als Reisebegleiter für Pilgerfahrten nach Saudi-Arabien. Blck Stone hat seinen Sitz in Düsseldorf und warb damit, all seine Gewinne über „Ansaar International e.V.“, ein mittlerweile verbotener und aufgelöster Verein[1], in Hilfsprojekte zu investieren. Über Blck Stone hatte DALI Kontakt zu Bakkah-Reisen, einem Veranstalter, der in Baden-Württemberg sitzt, und für den unter anderem Ahmad ABUL BARAA arbeitet. Fotos bezeugen, dass Blck Stone und Bakkah-Reisen ihre Reisegruppen in Saudi-Arabien zusammengelegt haben. Bakkah-Reisen ist wiederum Teil der HTG-Group, zu der auch IME-Reisen mit Sitz in Mannheim gehört. Für Letztere fungierte Marcel KRASS in der Vergangenheit als Reiseleiter. Auch zwischen DALI und KRASS scheint es eine gewisse Nähe zu geben. So verbreitete DALI auf seinen Social-Media-Auftritten im Jahr 2020 verschiedene Botschaften der Föderalen Islamischen Union (FIU), hinter der KRASS steht. Dazu gehörte der Ruf nach einem „Bundesbeauftragten zum Schutz der Muslime“.



[1] Der Verein „Ansaar International e. V.“ und seine Teilorganisationen wurden durch das Bundesinnenministerium (BMI) am 5. Mai 2021 verboten und aufgelöst. Unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe verbreitete der Verein ein salafistisches Weltbild und finanzierte weltweit jihadistische Terrororganisationen wie die palästinensische HAMAS und die al-Qaida-nahen Organisationen „Jabhat al-Nusra“ in Syrien und „al-Shabaab“ in Somalia


Lernen von der Muslimbruderschaft 

Von Relevanz ist darüber hinaus DALIs Annäherung an die Muslimbruderschaft. So nimmt DALI seit Jahren regelmäßig an Veranstaltungen des Rates der Imame und Gelehrten in Deutschland e. V. (RIGD) teil. Der RIGD wiederum geriert sich als Ansprechpartner in Fragen des Islams für die in Deutschland lebenden Muslime. Zugleich führt der RIGD regelmäßig Veranstaltungen durch, die der Bildung der islamischen Gelehrten in Deutschland dienen sollen. An solchen Veranstaltungen nahm auch DALI teil. Dabei ließ er sich zum Beispiel im Bereich Koranrezitation und des Ijtihad (der selbstständigen Auslegung von religiösen Quellen, ohne Rückgriff auf historische Auslegungen) ausbilden.  

Daneben sind auch grundsätzliche Sympathien für Akteure der Muslimbruderschaft zu beobachten. So hat DALI wiederholt auf den Tod von Mohammed Mursi, dem zeitweiligen ägyptischen Staatspräsidenten aus den Reihen der Muslimbruderschaft, reagiert. In einem Beitrag zitierte DALI Mursi dahingehend, dass diesem der Koran im Gefängnis verweigert wurde. DALI kommentierte dies mit den Worten: „Möge der Koran sein Begleiter sein.“ In einem anderen Beitrag kommentierte DALI den Tod Mursis mit den Worten: „Seine Verhandlung wurde vertagt auf den Tag des Jüngsten Gerichts. Möge Allah mit ihm gnädig sein.“ Dies ist eine Anspielung darauf, dass Mursis Tod auf einen Zusammenbruch folgte, den Mursi während einer Gerichtsversammlung erlitten hatte.  

Fazit: Nutznießer verschiedener Quellen der Inspiration und des Wissens 

Bei Amen DALI handelt es sich um einen politischen Salafisten, der zum Beispiel mit seinem flexiblen Wohnort- und Arbeitsplatzmodell (über Bundesländergrenzen hinweg) sowie der großen Zielgruppe (von Jung bis Alt) verschiedene Besonderheiten aufweist. Retrospektiv betrachtet, hat sich DALIs Anbindung an das Netzwerk von Neil BIN RADHAN nachhaltig auf ihn ausgewirkt: Seine eigenen Projekte sind offensichtlich von den Aktivitäten BIN RADHANs inspiriert. Seine Inanspruchnahme der Ausbildungsmöglichkeiten durch die RIGD zeigen darüber hinaus, dass er offen für Zusammenarbeit über ideologische Grenzen hinweg ist.

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