Linksextremismus

Mutmaßliches versuchtes Tötungsdelikt: Prozessauftakt gegen zwei Linksextremisten aus Stuttgart 


Am 19. April 2021 sollte vor dem Landgericht Stuttgart der Prozess gegen zwei Aktivisten der gewaltorientierten linksextremistischen Szene aus Stuttgart beginnen. Ihnen wird die Beteiligung an einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit Angehörigen der Gewerkschaft Zentrum Automobil e. V. [kein Beobachtungsobjekt des Landesamts für Verfassungsschutz] am 16. Mai 2020 in Stuttgart-Bad Cannstatt vorgeworfen. Anlässlich des Prozessbeginns riefen mehrere gewaltorientierte linksextremistische Gruppierungen zu einer Kundgebung vor dem Prozessgebäude in Stuttgart-Stammheim auf. Mit der Kampagne „Antifaschismus bleibt notwendig!“ will die Szene die mutmaßliche Tat der beiden Beschuldigten der Öffentlichkeit vermitteln und rechtfertigen.

Einem 21-Jährigen wirft die Anklage u. a. versuchten Totschlag und seinem 25-jährigen Mitangeklagten Landfriedensbruch in Tateinheit mit gemeinschaftlich gefährlicher Körperverletzung vor. Der Prozess selbst wurde bereits kurz nach Beginn der Verhandlung auf die Folgewoche vertagt; Grund hierfür soll ein Corona-Ausbruch in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stuttgart-Stammheim sein. Am 26. April 2021 soll die Anklageschrift verlesen werden

Bereits lange vor dem Prozess war eine breite regionale, überregionale und sogar teilweise internationale Solidarisierung mit den beiden Beschuldigten festzustellen. Zur Koordinierung der Solidaritätsarbeit riefen mehrere Gruppierungen der gewaltorientierten linksextremistischen Szene in Stuttgart im Sommer 2020 eigens die Kampagne „Antifaschismus bleibt notwendig!“ ins Leben. Diese soll über die vermeintlichen Hintergründe des Prozesses informieren sowie die Tat politisch rechtfertigen und der Öffentlichkeit vermitteln.

Hintergrund

Bei Protesten gegen eine „Querdenken711-Veranstaltung“ am 16. Mai 2020 auf dem Stuttgarter Wasengelände überfiel eine Gruppe von etwa 20 bis 40 gewaltorientierten Linksextremisten drei Angehörige der Gewerkschaft Zentrum Automobil e. V., die sich auf dem Weg zur Kundgebung befanden. Eines der Opfer wurde nach Angaben der behandelnden Ärzte so schwer verletzt, dass vorübergehend Lebensgefahr bestand. Der Geschädigte wurde aufgrund der Schwere der Verletzungen für mehrere Wochen ins künstliche Koma versetzt. 

Nach umfangreichen Ermittlungen konnte die Polizei mehrere Tatverdächtige identifizieren. Daraufhin kam es am 2. Juli 2020 zu Durchsuchungen im Großraum Stuttgart, in Karlsruhe und Tübingen. Hierbei wurde bereits einer der jetzigen Angeklagten festgenommen und in die JVA Stammheim verbracht; im Januar 2021 konnte er diese vorläufig wieder verlassen. Der zweite Angeklagte wurde im November 2020 in Stuttgart festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft in der JVA Stammheim.

Zum Prozessauftakt am 19. April 2021 riefen neben der Kampagne „Antifaschismus bleibt notwendig!“ auch gewaltorientierte linksextremistische Gruppierungen wie das „Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region“ (AABS), das „Offene Antifaschistische Treffen Rems-Murr“ (OAT RM) und die Stuttgarter Ortsgruppe der „Roten Hilfe e. V.“ (RH) zu einer Kundgebung vor dem Prozessgebäude auf.

An der Kundgebung beteiligten sich etwa 80 Personen. Nach eigenen Angaben drehten sich die Redebeiträge der Kampagne sowie der RH um die „Notwendigkeit eines konsequenten Antifaschismus und der spektrenübergreifenden Solidarität“ sowie die „politischen und organisatorischen Hintergründe der drei Nebenkläger und anderen Mitgliedern von ‚Zentrum Automobil‘“. Auch für die weiteren Prozesstage wird im Internet bereits zu einer „solidarischen Prozessbegleitung“ aufgerufen. Nach Ansicht der Kampagne zielen das Verfahren sowie die polizeilichen Ermittlungen „auf die Spaltung und Kriminalisierung der gesamten antifaschistischen Bewegung ab“.

Bewertung

Mit der „solidarischen Prozessbegleitung“ und den verschiedenen Stellungnahmen der Kampagne versucht die gewaltorientierte linksextremistische Szene in Stuttgart, die Deutungshoheit über den gewalttätigen Übergriff zu erlangen. Der beinahe tödliche Angriff wird hierbei als notwendig und alternativlos dargestellt, um sich gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten zur Wehr zu setzen und diese von der Straße zu verdrängen. Daraus wird ersichtlich, dass die Stuttgarter Szene auch zukünftig einen „militanten Antifaschismus“ befürwortet – und damit auch weiterhin schwerste Straf- und Gewalttaten zum Nachteil des politischen Gegners einkalkuliert.

In der Kampagnenarbeit werden die Themenfelder „Antifaschismus“ und „Antirepression“ als zentrale Aktionsfelder der gewaltorientierten linksextremistischen Szene miteinander verknüpft. Aus Sicht von Linksextremisten ist der Staat nicht willens und in der Lage, erfolgreich gegen rechtsextremistische Strukturen vorzugehen, weshalb sie eine eigene „militante und antifaschistische Politik“ anstreben. Diese beinhaltet auch ein mitunter gewalttätiges Vorgehen gegen politisch Andersdenkende.

Bundesweit zeigt sich in der gewaltorientierten linksextremistischen Szene eine breite Solidarisierung mit den Angeklagten. Dadurch zeichnet bereits jetzt die Möglichkeit ab, dass eine Verurteilung eine überregionale Strahlkraft entfaltet und zu Resonanzstraftaten führt.

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