Linksextremismus

Linksextremistische Drohschreiben an Politiker, Personen des öffentlichen Lebens und staatliche Institutionen

Im Zeitraum von Dezember 2019 bis Oktober 2020 wurden unter den Absenderbezeichnungen „Revolutionäre Aktionszellen“ (RAZ) und „MIlitantE ZellE“ (MIEZE) mehrfach Drohschreiben an Politiker, Personen des öffentlichen Lebens und staatliche Institutionen im gesamten Bundesgebiet versandt. Ferner erfolgten zwei versuchte Brandanschläge in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Als Tatverdächtige wurden Ende Oktober 2020 nach langwierigen Ermittlungen zwei Linksextremisten aus Stuttgart festgenommen.

Zwischen Dezember 2019 und Oktober 2020 gingen die Schreiben der RAZ/MIEZE in insgesamt fünf aufeinanderfolgenden „Wellen“ bei ihren Empfängern ein. Unter den bundesweiten Adressaten waren auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die Generalsekretärin der FDP Baden-Württemberg und Bundestagsabgeordnete Judith Skudelny sowie der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang.

In den Schreiben wurden den Empfängern unter anderem gesellschaftliche und politische Missstände vorgeworfen sowie verschiedene sozial- und umweltpolitische Forderungen gestellt. So verlangten die Täter von ihnen beispielsweise, „die nötigen Schritte für eine sozialistische und ökologische Demokratie einzuleiten und sich dann zur Ruhe zu setzen“. Weiterhin wollten die Verfasser mit ihrer Aktion „die Verantwortlichen, vor allem aber die Bürger dieses Landes, zum sofortigen Bruch mit dem kapitalistischen System auffordern“

Um ihrem Ansinnen Nachdruck zu verleihen, waren den Schreiben jeweils Gegenstände wie Schreckschusspatronen, Küchenmesser oder Komponenten zum Bau eines Brandsatzes beigefügt. Im ersten Drohschreiben vom Dezember 2019 wurde die beiliegende Patrone als „Weihnachtspräsent“ bezeichnet, das als Warnung dienen solle, 

„dass wir Euch und Euer schädliches Tun im Blick haben! Wenn ihr weiterhin nichts tut, übernehmen wir keine Verantwortung für das, was geschehen mag!“ 

Im August 2020 schritten die mutmaßlichen Verfasser schließlich zur Tat und verübten Brandanschläge auf die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg und das Wohnhaus eines Unternehmers in Rheda-Wiedenbrück/Nordrhein-Westfalen. Lediglich aufgrund geringer technischer Mängel zündeten die Brandsätze nicht, so dass es zu keinem Schaden kam. Diese versuchten Brandanschläge, von den Tätern als „Eskalationsstufe 2“ bezeichnet, sollten die aufgebaute Drohkulisse verstärken.

Nach umfangreichen polizeilichen Ermittlungen konnten schließlich zwei Tatverdächtige aus Stuttgart identifiziert werden. Daraufhin erfolgten am Morgen des 30. Oktober 2020 Durchsuchungsmaßnahmen der Polizei in mehreren Objekten in Stuttgart und Berlin. Hierbei wurden auch zwei Haftbefehle gegen die Verdächtigen vollstreckt, die sich zu diesem Zeitpunkt in Berlin aufhielten.

Hintergrund

Die Namensgebung spricht dafür, dass die mutmaßlichen Täter an die früheren linksterroristischen „Revolutionären Aktionszellen“ (RAZ) anknüpfen wollten. Diese verübten im Zeitraum vom 30. Dezember 2009 bis 27. April 2011 insgesamt fünf Brand- und Sprengstoffanschläge in Berlin. Unter der Bezeichnung „Revolutionäre Linke“ (RL) veröffentlichten sie zudem Anleitungen zur Durchführung solcher Anschläge in der Untergrundpublikation „radikal“. Darin wurde im April 2012 auch der letzte als authentisch bewertete Textbeitrag der RAZ veröffentlicht.

Neben den Anschlägen versandten die RAZ im Jahr 2011 Drohschreiben an den damaligen Bundesminister des Innern, den stellvertretenden Generalbundesanwalt und zwei Extremismusforscher.

Die MIEZE trat vor dem Versand der Drohschreiben bislang nur durch eine Selbstbezichtigung vom 27. Dezember 2018 auf dem von Linksextremisten genutzten Internetportal „de.indymedia.org“ in Erscheinung. Darin bekannte sich die Gruppierung zu angeblichen Sachbeschädigungen an einem Kriegerdenkmal und an Kraftfahrzeugen vermeintlicher Rechtsextremisten in Kandel/Rheinland-Pfalz.

Bewertung

Bei den zwei Tatverdächtigen handelt es sich um Randpersonen der linksextremistischen Szene, die nicht in gefestigte Strukturen eingebunden sind. Ihre linksextremistische Ideologie wurde jedoch bereits deutlich, unter anderem durch eine Internetpublikation. Darin setzte sich einer der beiden inhaltlich mit den gewalttätigen Ausschreitungen in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 2020 in Stuttgart auseinander. Insbesondere kritisierte er dabei namentlich den Bundesinnenminister und machte die „Bullenpräsenz“ für die Ausschreitungen verantwortlich. Weiter schrieb er in dem Beitrag, die „Überwindung des kapitalistischen Machtsystems“ könne nicht durch „linksparlamentarische Reformpolitik und müden Latschdemos, sondern mit einer konsequenten Negation des bisherigen Scheißsystems“ erreicht werden. 

Der Verfasser beendete seinen Text zudem wie folgt: 

„Nach dem sich die Situation in Deutschland und weltweit immer mehr zuspitzt ist es klar, dass wir im Hinblick auf diese endzeitlichen gesellschaftlichen Bedingungen auch veränderte Aktions- und Kampfformen benötigen und diese konsequent einsetzen müssen. Wichtig bleibt immer situativ handeln ohne Formen pauschal abzuschließen, abzulehnen oder in blindwütigen Distanzierungswahn verfallen.“ 

Aufgrund der fehlenden strukturellen Einbindung gab es bisher kaum Reaktionen der linksextremistischen Szene auf die Exekutivmaßnahmen der Polizei. Lediglich die linksextremistische „Rote Hilfe e. V.“ in Stuttgart veröffentlichte auf ihrer Homepage eine Solidaritätsbekundung mit „den Beschuldigten im MIEZE-Verfahren“

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