LINKSEXTREMISMUS

Linksextremisten sehen „Kriminalisierung“ des Antifaschismus und rufen zu Solidarität auf

Beiträge auf linksextremistischen Kanälen und in den sozialen Medien belegen, dass Linksextremisten aktuell ein verschärftes Vorgehen staatlicher Stellen gegen ihre eigene Agitation wahrnehmen, insbesondere im Handlungsfeld Antifaschismus. Dem soll, so die Aufforderung in zahlreichen Verlautbarungen, mit beständiger gegenseitiger Solidarität begegnet werden. Ein wichtiger Akteur in der Organisation und Koordination entsprechender Solidaritätsaktionen ist der linksextremistische Verein „Rote Hilfe e. V.“ (RH).

Durch verschiedene Veröffentlichungen linksextremistischer Gruppen lässt sich seit einiger Zeit beobachten, dass sich die Szene in Baden-Württemberg mit einem verschärften Vorgehen von Sicherheitsbehörden konfrontiert sieht. So schreibt beispielsweise das „Offene Antifaschistische Treffen Rems-Murr“ (OAT RM) in einer Stellungnahme auf seiner Homepage am 4. Oktober 2023, dass eine „Häufung und Intensivierung der Repression gegen Antifaschist:innen spürbar“ sei. Hier wird jedoch außer Acht gelassen, dass Sicherheitsbehörden lediglich ihrer Aufgabe einer ordnungsgemäßen Strafverfolgung nachkommen. In einem Homepagebeitrag der Solidaritätskampagne „Antifaschismus bleibt notwendig“ vom 29. September 2023, welcher in Reaktion auf einen bundesweiten Fahndungsaufruf zur Ergreifung eines untergetauchten Linksextremisten aus Sachsen veröffentlicht wurde, ist darüber hinaus von einer „Jagd auf Antifaschist:innen“ und einer damit verbundenen, vermeintlich „neuen Qualität der Repression“ die Rede. Die Verfasser dieser Texte unterschlagen dabei allerdings, dass schwerere Gewalttaten in einem Rechtssystem unweigerlich härtere Strafen nach sich ziehen. 

Als Reaktion auf diese Wahrnehmung betonen linksextremistische Gruppen aktuell in verschiedenen Szene-Veröffentlichungen, etwa auf der linksextremistischen Internetplattform „de.indymedia.org“, die Bedeutung des Solidaritätsgedankens. Schließlich dürfe man sich „von der Repression nicht aufhalten lassen“ und sich „trotz Repression nicht weg [...] ducken“, vielmehr gelte es „klare Haltung zu zeigen“. So sei das solidarische Miteinander eine Möglichkeit, staatliche Verfolgungsmaßnahmen „ins leere laufen“ zu lassen. Neben diversen schriftlichen Solidaritätserklärungen verschiedener Gruppierungen kam es auch zu öffentlichen Solidaritätskundgebungen, etwa am 28. Juni 2023 in Waiblingen/Rems-Murr-Kreis. Diese war spontan im Nachgang zu Durchsuchungsmaßnahmen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Sachbeschädigung an einem potenziellen AfD-Treffpunkt durchgeführt worden. Mit der Kundgebung sollte nicht nur die Unterstützung der Betroffenen unterstrichen werden, sondern auch die „Notwendigkeit antifaschistischer Aktionen“.   

 „Rote Hilfe e. V.“ als wichtiger Akteur in der Solidaritätsstruktur

Ein wichtiger Akteur in der Organisation und Koordination von Solidaritätsaktionen ist der Verein „Rote Hilfe e.V.“ (RH). Er ist regelmäßig Anlaufstelle für linke Aktivistinnen und Aktivisten, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind und dient damit auch Linksextremisten als wichtige Beratungseinrichtung für rechtliche Belange. Zudem hilft der Verein ihnen dabei Straf- und Gewalttaten als rechtmäßig erscheinen zu lassen. Die Attraktivität der RH in linken sowie linksextremistischen Kreisen zeigt sich dabei unter anderem an den seit Jahren stetig steigenden Mitgliederzahlen und an der Gründung einer neuen Ortsgruppe im August 2023 in Konstanz.  

Auch in der neu angelaufenen Solidaritätskampagne „Solidarität nicht abreißen lassen“ zeigt sich die Bedeutung des Vereins. Diese Kampagne wurde in Reaktion auf die staatlichen Strafverfolgungsmaßnahmen im Nachgang zu den Gegenprotesten anlässlich des AfD-Landesparteitags im März 2023 in Offenburg initiiert. Hier findet sich die Verbindung zur RH unter anderem in Form eines sogenannten Sharepics im Netz, das auch über Instagram-Accounts verschiedener linksextremistischer Gruppen geteilt wurde. Auf dem geteilten Bild ist im Hintergrund eine Demonstrationsszene der genannten Gegenproteste in Offenburg zu sehen. Der über das Bild gelegte Text stellt, wohl in Anspielung auf behördliche Schreiben, die Frage: „In Offenburg dabei gewesen und Post bekommen?“. Am rechten unteren Bildrand steht dazu die Empfehlung: „Melde dich bei der Roten Hilfe!“

Solidarität sharepic RH
Ein sogenanntes Sharepic mit Verweis auf „Rote Hilfe e. V.“ (RH), anlässlich der Strafverfolgungsmaßnahmen im Nachgang zu den Gegenprotesten hinsichtlich des AfD-Landesparteitags 2023 in Offenburg.

Finanzielle Unterstützung und Kontaktpflege 

Solidaritätskampagnen werden im linkextremistischen Spektrum regelmäßig im Kontext einschlägiger staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen ins Leben gerufen. Sie dienen durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit – etwa durch schriftliche Stellungnahmen oder die Organisation sogenannter solidarischer Prozessbegleitungen – einerseits dazu, die jeweiligen Taten öffentlich zu rechtfertigen. Andererseits nützen die Solidaritätskampagnen dem inneren Zusammenhalt der linksextremistischen Szene. Denn durch sie wird ein Gemeinschaftsgefühl geschaffen, das nicht zuletzt die Beschuldigten bestärken soll. 

Die RH sieht dabei, laut eigenen Angaben, einen ihrer Arbeitsschwerpunkt im „Kollektivieren von Repressionsfolgen“. Zum Beispiel werden Spenden gesammelt, damit Täter etwaige Geldstrafen begleichen können. Vor allem geht es jedoch um die Konstruktion einer vermeintlichen Kollektivschuld. Durch sie soll das „Wir“-Gefühl gestärkt und jedes Szenemitglied durch einer Art Bringschuld gegenüber dem Verurteilten, beispielsweise in Form von finanzieller Unterstützung oder Kontaktpflege, an die Szene gebunden werden. Dieses Solidaritätsverständnis wird durch den von der linksextremistischen Szene häufig verwendeten Slogan „Gemeint sind wir alle!“ zum Ausdruck gebracht. 

Bewertung: Solidarität als Mittel der Selbstvergewisserung

Nach eigenen Verlautbarungen im Internet plädieren Teile des linksextremistischen Spektrums für einen Antifaschismus, der „sich nicht an den bürgerlichen Rahmen hält“ und erklären den „antifaschistischen Kampf auf allen notwendigen Ebenen weiterführen“ zu wollen. Den sich damit eröffnenden Raum für Straf- und Gewalttaten zur Durchsetzung der eigenen Vorstellungen rechtfertigen Teile der linksextremistischen Szene mit vermeintlicher „Notwendigkeit“, da auf den deutschen Staat „kein Verlass“ bei der Bekämpfung des Faschismus sei. Dabei sind das Organisieren und öffentliche Bekunden von Solidarität ein wichtiger Teil linksextremistischer Agitation. Dem linksextremistischen Verein „Rote Hilfe e.V.“ kommt hierbei eine tragende Rolle zu. Denn insbesondere im Kontext von Gerichtsverfahren und bei Verurteilungen tragen linksextremistische Solidaritätsstrukturen zu einer Selbstvergewisserung innerhalb der Szene bei, indem das eigene Bild durch die öffentliche Rechtfertigung der Taten und das Erzeugen eines Gemeinschaftserlebnisses beziehungsweise -gefühls gestärkt wird.   

Teile der linksextremistischen Szene versuchen, etwa im Rahmen der Solidaritätskampagne „Antifaschismus bleibt notwendig“, eine Auslegung des Antifaschismus-Begriffs zu etablieren, die mit ihren Aufrufen zu Gewalttaten und der Missachtung des staatlichen Gewaltmonopols mit einer demokratischen Lesart unvereinbar ist. Schließlich dürfen Grund- und Menschenrechte in einem demokratisch gedachten Antifaschismus nicht nur einem ausgewählten Personenkreis zugestanden werden, sondern sie müssen bei aller Widersprüchlichkeit ebenso für diejenigen gelten, die demokratiegefährdend auftreten. Bei Verstößen gegen die öffentliche Sicherheit und politische Ordnung in Deutschland wird der deutsche Rechtssaat aktiv, der durch sein Gewaltmonopol die öffentliche Ordnung garantiert. Jede Form von Selbstjustiz ist dabei ausgeschlossen, weshalb, entsprechend rechtsstaatlicher Grundsätze, auch Straf- und Gewalttaten unter dem Deckmantel eines fehlgeleiteten Antifaschismusverständnisses entschieden geahndet werden.

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