Beim kürzlich zu Ende gegangenen „Wasenprozess“ wurde der gewalttätige Angriff von zwei Linksextremisten auf drei Mitglieder der Arbeitnehmervertretung „Zentrum Automobil e.V.“ (kein Beobachtungsobjekt des LfV BW) verhandelt. Angesichts der lebensgefährlichen Verletzungen eines Opfers entwickelte sich im Nachgang zur Tat innerhalb der linksextremistischen Szene eine Diskussion darüber, inwieweit Gewalt ein legitimes Mittel in der Auseinandersetzung mit vermeintlichen oder tatsächlichen Rechtsextremisten sein darf.
Bereits kurz nach dem Angriff wurde auf der von Linksextremisten genutzten Internetplattform „de.indymedia.org“ ein Eintrag „zum antifaschistischen Angriff am 16. Mai in Stuttgart/Zur Frage antifaschistischer Gewalt“ veröffentlicht. Darin wurde einerseits Abstand von einer Tötungsabsicht und der „systematischen“ Anwendung „schwere[r] bis tödlich[r] Verletzungen“ genommen, unter anderem mit dem Verweis auf eine fehlende Vermittelbarkeit in Teilen der Bevölkerung. Andererseits wurde darauf hingewiesen, dass „die gewalttätige Gegenwehr ein wichtiger Teil des Antifaschismus“ sei, der Versuch jedoch unternommen werde, „nur so weit zu gehen, wie wir es in der jeweiligen Situation für angebracht halten“. Ziel sei es, mit den körperlichen Angriffen das „öffentliche Auftreten der Faschisten soweit wie möglich zu unterbinden […] Sie sollen mit Schmerzen, Stress und Sachschaden rechnen“.
Mittlerweile scheint sich die Auffassung zu verbreiten, dass die prinzipielle Anwendung von Gewalt gegen Personen vor allem in der Auseinandersetzung mit vermeintlichen oder tatsächlichen Rechtsextremisten angemessen und legitim ist. Darauf deuten aktuelle Aussagen aus der linksextremistischen Szene in Baden-Württemberg hin: So hat einer der beiden Angeklagten laut eines Berichts der Tageszeitung „taz“ vom 13. Oktober 2021 in seinem Schlusswort vor Gericht den Versuch unternommen, die im Mai 2020 verübte Gewalttat mit den „mindestens 187 Todesopfern“ rechter Gewalt seit den 80er Jahren zu rechtfertigen. Auch zitiert der taz-Bericht wörtlich aus Zeugenaussagen, wonach die Täter über die Verletzungen ihrer Opfer gesagt hätten: „Beruhigt euch, das waren doch nur Nazis“. Zudem wurde in einem weiteren Beitrag auf de.indymedia.org jüngst die Behauptung veröffentlicht, dass „eine eigenständige militante Praxis“ entwickelt werden müsse, da auf den Staat „kein Verlass im Kampf gegen Rechts“ sei. Dabei sei auch das staatliche Gewaltmonopol in Frage zu stellen. In einem Bekennerschreiben vom 15. Oktober 2021 auf demselben Internetportal werden noch deutlichere Worte gefunden: Danach sei es wichtig, dass „Faschos […] militant angegriffen werden, ihre körperliche Unversehrtheit genommen wird“. In Bezug auf die beiden Verurteilten im „Wasenprozess“ heißt es: „Sie sollen das getan haben, was wir als Antifaschist:innen für richtig und wichtig halten“.
