ISLAMISMUS

Geld verdienen, missionieren, vernetzen: Das Geschäft salafistischer Reiseanbieter

Pilgern nach Mekka und Medina ist für Muslime Pflicht und für Reiseanbieter ein Geschäft. In der Pandemiezeit hatten Pilgerfahrten nach Saudi-Arabien durch Einschränkungen dortiger Behörden jedoch vor einer ungewissen Zukunft gestanden. Seit Herbst 2022 bieten Reiseveranstalter die „kleine Pilgerfahrt“ (arabisch: Umra) nach Mekka und Medina wieder an. Mit dabei: salafistische Reiseveranstalter mit Sitz in Baden-Württemberg und deutschlandweit aktive Prediger der salafistischen Szene. Sie wollen unterwegs das salafistische Weltbild der Teilnehmer fördern.

Die muslimische Pilgerfahrt ist eine der fünf Säulen des Islams und mit der sogenannten großen Pilgerfahrt, arabisch Hadsch (auch: Hajj), eine Grundpflicht für Muslime, der jeder einmal im Leben nachkommen sollte. Die Hadsch findet im zwölften Monat des islamischen Kalenders statt, 2023 war das Ende Juni, und führt zu den heiligen Stätten in Mekka und Medina in Saudi-Arabien. Die sogenannte kleine Pilgerfahrt, arabisch Umra (auch: Umrah), wird lediglich empfohlen und kann jederzeit unternommen werden. 

Pilgerfahrten als Geschäftsmodell

Hadsch und Umra haben sich, nach Öl und Gas, zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige Saudi-Arabiens entwickelt. Weltweit gibt es Reiseagenturen, die sich auf die Durchführung dieser Pilgerfahrten spezialisiert haben, da sie ein einträgliches Geschäft darstellen. Während der Großteil dieser Reiseanbieter, auch in Baden-Württemberg, aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Relevanz besitzt, haben auch Salafisten dieses Betätigungsfeld für sich entdeckt: Seit Mitte der 2010er Jahre bieten verschiedene Unternehmen oder Personengruppen mit salafistischem Hintergrund Pilgerreisen an. Werbung dafür machen szenebekannte Prediger oder Influencer, was den Werbeeffekt erhöht. Die Szenegrößen begleiten zudem die Reisen und garantieren so quasi eine salafismuskonforme Pilgerreise.

Deutschlandweit haben sich dabei vor allem drei in Baden-Württemberg ansässige Unternehmen etabliert. „IME Reisen“ war mit der Umra zum Jahreswechsel 2014/15 einer der ersten Anbieter salafistisch ausgerichteter Pilgerfahrten. Seit Beginn bis heute ist die Szenegröße Marcel KRASS dort als Reisebegleiter aktiv. Ab Mitte 2016 bot auch „Bakkah Reisen“ Pilgerfahrten an. Zu den Begleitern dort zählen Pierre VOGEL und Ahmad ABUL BARAA, ebenfalls bekannte Salafisten. Beide Reiseunternehmen sind laut Impressum Teil der „HTG-Group“, die eigenen Angaben zufolge in Mannheim ihren Sitz hat und dem Unternehmer Abdirahman FARAH gehört, der bei weiteren salafistischen Angeboten als Verantwortlicher im Impressum angeführt wird.

Logo „IME Reisen“
 
Logo von „Bakkah Reisen“
 
Logo „Kaaba-Reisen“
Logo „IME Reisen“
 
Logo „Bakkah Reisen“
 
Logo „Kaaba-Reisen“

Auf der Homepage des dritten baden-württembergischen Reiseanbieters mit salafistischem Hintergrund, „Kaaba-Reisen“ mit Sitz in Pforzheim, wird Abdulhakim RÜZGAR, früher bekannt als Rizgar OSMAN, als Verantwortlicher im Impressum aufgeführt. Er ist seit Jahren im Umfeld der salafistischen „Al-Baraka-Moschee“ in Pforzheim aktiv. Seit der ersten Pilgerfahrt im November 2014 bietet „Kaaba-Reisen“ Pilgern in Mekka und Medina ein volles Programm mit Vorträgen und Unterricht zu islamischen Themen entlang der salafistischen Ausrichtung an. Die Pilgerfahrt begleiten Prediger aus dem salafistischen Milieu. Bis mindestens Dezember 2019 trat dabei der ehemalige Medina-Student Mohamed Seyfudin CIFTCI in Erscheinung.

Reiseanbieter erholen sich von ungewisser Zukunft in Coronazeit

Das bis zum Frühjahr 2020 einträgliche Geschäft mit den Pilgerreisen wurde durch die Corona-Pandemie existenziell bedroht. Saudi-Arabien ergriff frühzeitig Vorkehrungen zum Gesundheitsschutz und verhängte ein Einreiseverbot. 2020 und 2021 war lediglich knapp 10.000 beziehungsweise 60.000 einheimischen Pilgern die Hadsch erlaubt; 2019 waren es noch knapp 2,5 Millionen Pilger gewesen, davon rund 1,8 Millionen aus dem Ausland. Man führte für die Hadsch zudem ein zentrales Buchungssystem für ausländische Pilger ein, das es lediglich Einzelpersonen ermöglicht diese Pilgerfahrt zu buchen. Für Reiseunternehmen wird die Durchführung so erschwert bis unmöglich gemacht.

Nachdem ab Sommer 2022 klar war, dass Saudi-Arabien zumindest die kleine Pilgerfahrt für Ausländer wieder zugänglich machte, boten auch die drei baden-württembergischen Reiseveranstalter mit salafistischem Hintergrund erneut Reisen an. Den Anfang machte „Kaaba-Reisen“, die im Oktober 2022 die Umra mit prominenter Begleitung anboten: Ibrahim FAHTY EID, viele Jahre Imam des „Islamischen Zentrums Stuttgart e. V.“ (IZS), das sowohl salafistisch als auch durch die legalistisch auftretende Muslimbruderschaft geprägt ist, begleitete die vom Unternehmenschef RÜZGAR angeführte Reisegruppe nach Mekka und Medina. Kurz darauf folgten „IME Reisen“ und „Bakkah Reisen“ mit eigenen Angeboten. 

Die Preisgestaltung der Anbieter bleibt nach wie vor undurchsichtig – eine kleine Pilgerfahrt kostet aktuell circa 2.000 Euro, die große schlug vor der Pandemie mit mehr als 5.000 Euro zu Buche. Es steht zu vermuten, dass die Hadsch in der Vergangenheit für die Unternehmer eine größere Gewinnspanne mit sich brachte. Sollte sie weiterhin nicht angeboten werden können, dürfte das für die Reiseveranstalter finanzielle Verluste mit sich bringen. 

Inzwischen drängen weitere salafistische Akteure auf den Pilgerfahrtenmarkt, um von dem Geschäftsmodell zu profitieren. Sie versuchen den Preis der etablierten Anbieter zu unterbieten, mit Werbung in sozialen Medien zum Teil sehr drastisch. Bei diesen Angeboten salafistischer Einzelakteure ist nicht direkt erkennbar, wer die Reise jeweils durchführt. 

Salafistische Netzwerke(r)

Für die Reisebegleiter der beiden etablierten Anbieter „IME Reisen“ und „Bakkah Reisen“ sind die Pilgerfahrten lediglich eines von vielen salafistischen Betätigungsfeldern. Neben seiner Begleitertätigkeit bei „Bakkah Reisen“ treibt ABUL BARAA zum Beispiel die salafistische „Da’wa“ (deutsch: „Missionierung“) voran. Seit einigen Jahren gilt er als einer der Stars der Szene. Marcel KRASS, ebenfalls eine Szenegröße, hat sich ein Netzwerk aufgebaut, um sowohl die salafistische Mission voranzubringen als auch Einnahmen zu generieren. Dabei hat er auch Verbindungen zu Abdirahman FARAH etabliert, der hinter der „HTG-Group“ mit „Bakkah Reisen“ und „IME Reisen“ steht. FARAH findet sich sowohl beim „Islamischen Humanitären Entwicklungsdienst“ (IHED) als auch beim Online-Portal „DEEN Akademie“ im Impressum. Der IHED stellt sich selbst als Hilfsorganisation dar, wurde jedoch in der Vergangenheit von salafistischen Akteuren beworben. Bei der „Deen Akademie“ handelt es sich um ein kostenpflichtiges Portal mit islamistischen Inhalten. Beide werden von KRASS unterstützt. Neben ihm ist Stef KERIS Hauptakteur der genannten Akademie. Der aus Griechenland stammende, in Deutschland aufgewachsene und inzwischen in Birmingham (Großbritannien) ansässige Salafist, ist ein wichtiger Unterstützer der internationalen Vernetzung der deutschen salafistischen Szene.

Die Vernetzung untereinander zeigt sich auch an anderer Stelle. In der Vergangenheit hatten einzelne Szeneakteure versucht eigene Reiseagenturen zu etablieren, was jedoch nicht gelang. „GoMekka“ etwa ähnelte online stark den Auftritten der „HTG-Group“ und gehörte zum Umfeld des ehemaligen Medina-Studenten Samir BAJRA, der inzwischen islamkonforme Finanzberatung anbietet und Kontakte zu anderen einstigen Medina-Studenten unterhält. 

Der ebenfalls gescheiterte Reiseanbieter „Blck Stone“ war der Versuch aus dem Umfeld des inzwischen verbotenen salafistischen Vereins „Ansaar International e. V.“ in das Geschäft mit den Pilgerreisen einzusteigen. Die Geschäftsführerin war in Teilorganisationen des Vereins involviert, die ebenfalls unter das Verbot von Mai 2021 fielen. Nach eigenen Angaben spendete „Blck Stone“ seine Gewinne an „Ansaar International e. V.“, wo man wiederum angab, „humanitäre Projekte“ mit Geld zu unterstützen. Auf seiner Homepage bewarb „Blck Stone“ Pilgerreisen demnach als „Charity Hadsch & Umra“. Reisebegleiter waren auch hier zumeist salafistische Szenegrößen, wie Abdelilah BELATOUANI (ABU RUMAISA), Efstathios TSIOUNIS (ABU ALIA) und der ehemals in Baden-Württemberg ansässige Amen DALI. Zumindest bei einer Pilgerreise kam es zudem zur Zusammenarbeit mit „Bakkah Reisen“.

Missionierung fernab der Heimat

Namhafte salafistische Akteure als Reisebegleiter machen eine „Da’wa“-Dauerbeschallung möglich, also den Versuch, die Pilger mit der salafistischen Glaubensauslegung zu indoktrinieren. Bei den Reisen geht es, neben der religiösen Grundpflicht, nämlich vor allem um die direkte Beeinflussung der Reisenden. Es ist davon auszugehen, dass sie während der Pilgerfahrten durch Vorträge, etwa von Medina-Studenten, Predigten und Ausflüge sowohl mit deutschlandweit bekannten als auch mit prominenten saudi-arabischen Akteuren des Salafismus, die meist alleine aufgrund ihrer Stellung als Prediger in Saudi-Arabien die salafistische Indoktrination verstärken, in Kontakt gebracht werden. Zudem sollen die Teilnehmer, vor allem diejenigen Mitreisenden, die erst kürzlich zum Islam übergetreten sind, durch das umfassende Programm wohl an Strukturen der Szene gebunden werden. Dazu trägt bei, dass auch szeneinterne Influencer mit sehr hoher Anziehungskraft Pilgerreisen begleiten, wie etwa der Salafist Ibrahim AL-AZZAZI. Für „Bakkah Reisen“ begleitete er einmalig die „Winter-Umra“ über den Jahreswechsel 2022/23. 

Das lukrative Pilgergeschäft wird wohl weitergehen – selbst bei einem dauerhaften Wegfall der Hadsch für die Anbieter. Die in Baden-Württemberg ansässigen Reiseunternehmen mit salafistischem Hintergrund haben im Herbst 2023 die ersten Pilgerreisen durchgeführt und für den Winter 2023/24 schon Pilgerreisen im Programm. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich salafistische Szeneangehörige durch die Etablierung als Reiseanbieter seit Mitte der 2010er Jahre eine neue Einnahmequelle zur Finanzierung ihrer Aktivitäten erschlossen haben. Das Geschäft mit den Pilgerreisen hat durch Corona zwar einen Dämpfer erhalten, nimmt seit Herbst 2022 aber wieder an Fahrt auf. Zudem bietet die Betreuung der Pilger die Möglichkeit, sie für den salafistischen Aktivismus zu gewinnen und in die Szene einzubinden, zum Beispiel mit Hilfe begleitender Medina-Studenten, die dafür nicht einmal öffentlich in Erscheinung treten müssen. Denn im Vergleich zu klassischen Vorträgen, Predigten oder Straßenmissionierungen erfolgt die salafistische Agitation auf Pilgerreisen abseits von Zivilgesellschaft und staatlichen Behörden.

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