Rechtsextremismus

Dezentraler und intransparenter: IB will ihre Strategie ändern

Einige Merkmale, die seit vielen Jahren als charakteristisch für das Auftreten der „Identitären Bewegung“ (IB) gelten, dürften wahrscheinlich bald der Vergangenheit angehören. In einem aktuellen Strategiepapier werden Eckpunkte einer Neuausrichtung aufgeführt: Unter anderem will sie weniger transparent auftreten und ihre hierarchisch geprägte Organisationsform aufbrechen. Davon verspricht sich die IB, staatlichen Repressionen zu entgehen und den Fortbestand der Gruppierung zu sichern.

Auf dem Telegram-Kanal „Kessel Revolte“ der IB-Ortsgruppe Stuttgart wurde am 28. August 2021 ein Beitrag der Website „der-funke.info“ geteilt. Der Artikel mit dem Titel „Identitäre Bewegung: Rückblick, Kritik, Ausblick“ reflektiert die Entwicklung der IB seit ihrer Gründung – mit Schwerpunkt auf Österreich – und fordert eine neue strategische Ausrichtung. Hintergrund des Textes sind unter anderem das Verbot der Partnerorganisation „Génération Identitaire“ in Frankreich, das Verbot des IB-Symbols in Österreich sowie Sperrungen von IB-Konten in diversen sozialen Netzwerken

Zu Beginn ist festgehalten, dass sich die IB nach wie vor als „aktionistischer Widerstand der rechten Jugendarbeit“ versteht. Allerdings, so ist zu lesen, habe man in den letzten Jahren nicht mehr das volle Potential ausschöpfen können, zum Beispiel im Hinblick auf die Mitgliedergewinnung. Veränderte Rahmenbedingungen erforderten eine taktische Neuausrichtung, im Text bezeichnet als Evolution der „Identitären Bewegung“ (IB) hin zu einer „identitären Bewegung“ (iB) bzw. „Identitätsbewegung“

Hierzu will sich die Organisation einen „neuen Stil“ aneignen. Ein Ziel ist deutlich weniger Transparenz: Beispielsweise sollen die eigenen Organisationsstrukturen nicht mehr öffentlich nachvollziehbar sein und Mitgliederzahlen nicht mehr kommuniziert werden. Passend dazu ist vorgesehen, dass künftig nur noch wenige namentlich bekannte Einzelpersonen als Sprecher fungieren. Die gewöhnlichen Mitglieder sollen bei Aktionen kein Gesicht mehr zeigen. Zuvor gaben sich auch viele reguläre Mitglieder auf Fotos der IB im Internet zu erkennen.

Nach wie vor sollen „Identitäre“ einheitliche Kleidung mit Wiedererkennungswert tragen, allerdings ohne IB-Logo. Der neue Stil soll „einheitlich, dynamisch, schneidig und urban“ wirken, aber nicht „militant oder subkulturell“

Statt auf spektakuläre Einzelaktionen, die ein hohes Maß an technischem Know-how erfordern, will sich die IB außerdem auf die Durchführung „mob-artiger“ Aktionen konzentrieren, die einen „gesunden jungen, männlichen Beobachter“ dazu bringen, sich der Organisation anzuschließen.

Schließlich wird im Text die Devise „Dezentral und Gegenkulturell“ ausgegeben. Die bisherige relativ streng hierarchische Organisationsstruktur soll aufgebrochen werden; lokale IB-Gruppierungen sollen demnach in Zukunft selbständiger agieren können. Dazu heißt es im Text, diese „können sich eigene Namen geben oder, im besten Fall, aktivistisch ohne jede konkrete Gruppenidentität auftreten und stattdessen gegenkulturelle lokale Zentren als Marken aufbauen“. Aktionen der örtlichen Gruppierungen sollen auf anonymen Blogs veröffentlicht werden. Derzeit sind zwei solche „Aktionsblogs“ bekannt, die der IB zugerechnet werden können: die Homepage „aktionsmelder.de“ (IB Deutschland) und die Seite „patrioten-in-bewegung.info“ (IB Österreich).

Bewertung

Der im Text beschriebene Strategiewechsel ist eine klare Abkehr vom Auftreten der IB in ihren Anfangsjahren. Die Entwicklung kommt allerdings nicht überraschend, entsprechende Tendenzen deuteten sich bereits seit geraumer Zeit an. Aufgrund der engen Verbindung zwischen der IB in Österreich und Deutschland ist zu erwarten, dass die IB Deutschland sich an den beschriebenen Punkten zur Neuausrichtung orientiert. 

Durch die geringere Transparenz könnte es für die Öffentlichkeit und auch die Sicherheitsbehörden in Zukunft schwieriger werden, einzelne Personen und Aktivitäten zweifelsfrei der „Identitären Bewegung“ zuzuordnen. Im Text heißt es ausdrücklich, man werde an der „inhaltlichen Substanz“ festhalten. Der hier beschriebene Strategiewechsel bedeutet also keineswegs, dass die Gruppierung von ihren rechtsextremistischen Überzeugungen abrückt. 

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