Bei „Grup Yorum“ handelt es sich um eine Gruppe türkischer Musiker und Aktivisten, die in unterschiedlicher Zusammensetzung Konzerte gibt. Gegründet hat sie sich, nach eigenen Angaben, 1985 als Reaktion auf die Entpolitisierungs- und Einschüchterungspolitik in der Türkei nach dem Militärputsch von 1980. Die Band steht der türkisch-linksextremistischen „Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front“ („Devrimci Halk Kurtuluş Partisi-Cephesi“, DHKP-C) nahe und fördert deren Ziele, zum Beispiel durch entsprechende propagandistische Liedtexte und öffentliche Stellungnahmen zugunsten der Ziele der türkischen Organisation, die dort verboten ist. Während der Auftritte tragen die Musiker meist olive oder beige Uniformen und rote Halstücher – wie die DHKP-C-Milizen in der Türkei.
Wichtiges Propagandainstrument der verbotenen DHKP-C
Die DHKP-C nutzt „Grup Yorum“ aktiv zur Verbreitung ihrer Ideologie, indem sie ihre Konzerte und Veranstaltungen mitorganisiert und -gestaltet. Die Organisation will, auf Grundlage des Marxismus-Leninismus, ein sozialistisches Gesellschaftssystem in der Türkei errichten. Für die gewaltsame Zerschlagung der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung unterhält sie dort auch kämpfende Einheiten. In Deutschland führten gewaltsame Auseinandersetzungen innerhalb der türkisch-linksextremistischen Szene sowie eine Serie militanter Aktionen von DHKP-C-Anhängern gegen türkische Einrichtungen 1998 zum Verbot der DHKP-C, die als Nachfolgeorganisation der bereits zuvor verbotenen türkischen „Revolutionären Linken“ („Dev Sol“) gilt. Die Europäische Union listet die DHKP-C seit 2002 als terroristisch. Daher schließen sich ihre Anhänger in Deutschland ausschließlich unter Tarnbezeichnungen wie beispielsweise „Halk Kültür Evi“ („Volkskulturhaus“) in Vereinen und Gruppierungen zusammen.
„Grup Yorum“ ist eines der wichtigsten Propagandainstrumente der DHKP-C. Auf Grund ihrer politischen und sozialkritischen Liedtexte ist die Gruppe besonders in linksgerichteten, regierungskritischen Kreisen in der Türkei und im Ausland sehr populär. Mithilfe der Musiker erschließt sich die DHKP-C eine über die eigene Anhängerschaft hinausgehende Zielgruppe potenzieller Unterstützer. Das geht inzwischen sogar über Konzerte hinaus: 2022 wurde „Grup Yorums“ Filmprojekt „Mahalle“ europaweit in Kinos aufgeführt, so auch im Oktober und November in Mannheim, Stuttgart, Ulm und Villingen-Schwenningen/Schwarzwald-Baar-Kreis. Der Filmtitel „Mahalle“ bedeutet „Stadtviertel“ und nimmt Bezug auf den populären Song „Bu Mahalle bizim“ („Dieses Viertel gehört uns“) der Band. Für den Film warben die regionalen DHKP-C-nahen Szenen Baden-Württembergs und begleiteten die Aufführungen unter anderem mit einschlägigen Podiumsdiskussionen.
Die „Grup Yorum“-Konzerte in Baden-Württemberg
Bereits in der Vergangenheit hatten „Grup Yorum“-Konzerte in Baden-Württemberg stattgefunden, so zum Beispiel 2017 im Stuttgarter „Kulturhaus Arena“ oder 2021 in kleinerem Rahmen auf einem von deutschen Linksextremisten durchgeführten „Neckarfest“ in Stuttgart. Im Frühjahr 2023 nun hat „Grup Yorum“ am 19. März in Mannheim sowie am 26. März in Stuttgart Konzerte gegeben, jeweils in privat betriebenen Veranstaltungshallen. Die Konzerte besuchten um die 250 Personen in Mannheim sowie rund 150 Personen in Stuttgart. Sie waren über diverse Social-Media-Kanäle, die der DHKP-C-Szene nahestehen, lange im Voraus angekündigt worden.
Aufgrund des verheerenden Erdbebens in der Türkei und in Syrien im Februar 2023 wurden sie in „Solidaritätskonzerte mit den Erdbebenopfern“ („Depremzedelerle Dayanışma Konseri“) umgewidmet und die Plakate angepasst. Während das Konzertplakat für Stuttgart mit schlichter Schrift und schwarzem Logo auf eine Hilfsaktion der Band für die Opfer hinwies, verwendeten die Organisatoren in Mannheim eindrückliche Bilder aus der Erbebenregion – mit Toten und Verletzten. Sie forderten zudem mit der Zeile „Zeig Deine Wut und komm“ („Öfkeni kuşan da gel“) aus dem „Grup Yorum“-Song „Aufruf“ („Çağrı“) zur Empörung über den türkischen Staat auf. Auf dem Plakat für das Konzert in Mannheim stand zudem: „Wir verlangen eine Strafe für die Mörder, die unser Volk unter den Trümmern zurückgelassen haben!“
Logo in DHKP-C-Farben
Das auf den Konzertplakaten abgedruckte Logo der Musikgruppe besteht mindestens aus dem „Grup Yorum“-Schriftzug, wird aber meist noch um eine schattenhafte Darstellung einer siebenköpfigen Band ergänzt, wie etwa auf dem Stuttgarter Plakat. Das Logo taucht auch auf Flyern, Bannern oder Shirts auf und dient auf Demonstrationen als Erkennungszeichen, meist in Gelb oder Weiß auf rotem Hintergrund – Farben, die auch die DHKP-C verwendet.
Des Weiteren wurde auf der Facebook-Seite der DHKP-C-nahen Szene Stuttgart „Stuttgart Halk Kültür Evi“ über einen Informationsstand des DHKP-C-nahen Vereins berichtet, an dem am 23. März 2023 in der Stuttgarter Innenstadt augenscheinlich Werbung für das bevorstehende Konzert von „Grup Yorum“ gemacht wurde. Zwei Tage vor dem Konzert in der Landeshauptstadt fand zudem eine durch denselben Verein beworbene Veranstaltung statt, bei der „Grup Yorum“-Mitglieder auf dem Podium saßen und Konzertkarten verkauft wurden.
Während des Konzerts in Stuttgart wurde dann vor der Bühne ein Banner der DHKP-C-Kampagne „Weg mit dem Naziparagraphen 129a und b!“ zur Schau gestellt. Anlass dieser fortdauernden Kampagne zur Abschaffung der Paragrafen 129a und 129b im Strafgesetzbuch, die terroristische Vereinigungen (im Ausland) betreffen, war die Verhaftung dreier Funktionäre der DHKP-C Mitte Mai 2022 in Deutschland gewesen.
Bewertung: Musik und Propaganda
Dass DHKP-C-nahe Einrichtungen und Personen im Vorfeld der „Grup Yorum“-Konzerte dafür mobilisiert haben und dass
während der Konzerte typischen DHKP-C-Kampagnenthemen Raum gegeben wurde, bestätigt die Nähe der Band zur
türkisch-linksextremistischen und hierzulande verbotenen DHKP-C. Diese Nähe bestätigt auch die aktuelle
Rechtsprechung.
Die Auftritte von „Grup Yorum“ sind dadurch geprägt, dass neben den musikalischen Darbietungen politische Botschaften
und Propaganda im Sinne der DHKP-C vermittelt werden. Mit Informationsständen, Schriften, Plakaten und Reden von Funktionären
wirbt die verbotene Organisation auf den Konzerten für ihre Ideologie und politischen Ziele. Zudem werden bei den Musikveranstaltungen
neue Anhänger und Mitglieder rekrutiert. Mit „Grup Yorum“ gelingt es der DHKP-C, Musik für ihre Zwecke zu
instrumentalisieren und generationenübergreifend ein breites Publikum zu erreichen.