Die diesjährigen „Revolutionären 1. Mai-Demonstrationen“, die das linksextremistische Spektrum in Baden-Württemberg alljährlich anlässlich des „Arbeiterkampftages“ veranstaltet, verliefen weitestgehend friedlich. Die linksextremistische Szene fiel dabei mit überwiegend versammlungstypischen Straftaten auf, etwa durch Verstöße gegen das Versammlungsgesetz oder das Zünden von Pyrotechnik. Auffällig waren die zahlreichen Sachbeschädigungen an privaten und öffentlichen Gebäuden im Vorfeld des 1. Mai in den Großräumen Karlsruhe und Stuttgart.
Antimilitarismus im Fokus
In Karlsruhe kam es am 23. und 24. April 2025 an zwei Gebäuden durch Graffitis zu Sachbeschädigungen: Die Fassade eines Gebäudes des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) wurde mit dem roten Schriftzug „Krieg beginnt hier“ und Bauschaum besprüht, auf den Pflastersteinen vor dem Gebäude der Landesbank Baden-Württemberg wurden die Worte „Krieg dem Krieg“ angebracht und ein Banner am Gebäude befestigt. In den entsprechenden Bekennerschreiben, die nach den Mobilisierungsaktionen anonym auf der linksextremistischen Internetplattform „de.indymedia.org“ veröffentlicht wurden, wird bereits in den Überschriften („[…] Kriegstreiber aus der Anonymität holen!“ beziehungsweise. „Kriegsprofiteur […] markiert“) thematisch Bezug auf das Handlungsfeld „Antimilitarismus“ genommen. Die Bekennerschreiben und die angebrachten Texte fügen sich inhaltlich in den Aufruf des „Revolutionären Aufbau Karlsruhe“ (RAK) ein, einer Ortgruppe der „Perspektive Kommunismus“ (PK), die unter dem Motto „Gegen Krieg und Aufrüstung“ zur Teilnahme an der „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“ in Karlsruhe mobilisiert hatte.

Aktionsschwerpunkt „Antirepression“
Am 27. April 2025 besprühten mehrere Personen das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt großflächig mit roter Farbe. Dazu wurde der Schriftzug „Gegen ihre Klassenjustiz. Für den Sozialismus“ angebracht. In einem nachträglich auf „de.indymedia.org“ veröffentlichten anonymen Schreiben wird die Ortswahl damit begründet, dass das Amtsgericht „als Ort der Klassenjustiz […] markiert“ werden sollte und die Aktion in Reaktion auf die „brutalen Mittel des Staates“ und seine „Repression“ zu werten sei.

In einer weiteren Aktion in Karlsruhe wurde in der Nacht vom 28. auf den 29. April 2025 ebenfalls ein Justizgebäude beschädigt. Hier brachten Unbekannte den Aufruf „Kampf der Klassenjustiz“ als Graffiti an den Mauern der Außenstelle des Bundesgerichtshofes an. In dem dazugehörigen Bekennerschreiben, das nach der Tat ebenfalls auf „de.indymedia.org“ veröffentlicht wurde, adressieren die anonymen Verfasser mehrere im Zusammenhang mit Gewaltdelikten beschuldigte oder bereits verurteilte Linksextremisten. Diesen bekunden sie ihre Solidarität und halten fest: „Militante Aktionen und Haltung sind ein essenzieller Teil jedes Kampfes für Veränderung“. Kurz darauf, in der Nacht vom 29. auf den 30. April 2025, wurde auch das ungarische Konsulat in der Stuttgarter Innenstadt mit roter Farbe beschmiert. Außerdem wurden die Schriftzüge „FREE MAYA“ und „FREE GAZA“ sowie ein „Hammer und Sichel“-Symbol angebracht. In dem dazu am 30. April 2025 veröffentlichten Bekennerschreiben wird als Motivation für die Tat an erster Stelle die „Repression gegen Antifaschist:innen“ durch die Regierung Viktor Orbans genannt. Der Ungarnbezug ergibt sich durch gewalttätige Übergriffe auf Rechtsextremisten im Februar 2023 in Budapest, an dem auch mehrere deutsche Linksextremisten beteiligt gewesen sein sollen, und die sich nun, nachdem sie sich den Polizeibehörden gestellt hatten, mit Gerichtsverfahren konfrontiert sehen. Die „Revolutionäre Aktion Stuttgart“ (RAS), ebenfalls eine Ortgruppe der PK, nahm in einem veröffentlichten Nachbericht zum Verlauf der „Revolutionären 1. Mai Demo“ in Stuttgart Bezug auf die Sprühaktion am ungarischen Konsulat und wertete sie als Ausdruck dafür, „dass die Herrschenden konkret angreifbar“ seien.
Bewertung
Der 1. Mai ist als „Kampftag“ der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer alljährlich ein wichtiges Veranstaltungsdatum für das linksextremistische Spektrum. Die linksextremistische Szene in Baden-Württemberg beging auch in diesem Jahr überwiegend versammlungstypische Straftaten, die sich weitestgehend im Rahmen des Erwarteten bewegten. Wie in den Vorjahren veröffentlichte die PK eigens zum ersten Mai eine Zeitung („1. Mai-Zeitung“) in der verschiedene Beiträge zu Themen des „Klassenkampfes und revolutionärer Politik“ veröffentlicht wurden. Außerdem traten die insbesondere die beiden Ortsgruppen in Karlsruhe und Mannheim bei der Mobilisierung für die Teilnahme an „Revolutionären 1. Mai Demonstrationen“ in Erscheinung.“ Hierbei waren auch inhaltliche Schnittpunkte zu einschlägigen Mobilisierungsaktionen und Straftaten zu beobachten.
Durch mehrere Aktionen und einer Reihe von Sachbeschädigungen an privaten und öffentlichen Gebäuden lenkte die Szene die Aufmerksamkeit auf die beiden linksextremistischen Handlungsfelder „Antimilitarismus“ und „Antirepression“. Bedingt durch rüstungspolitische Entwicklungen im Kontext des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und mehrere erfolgreiche staatliche Strafverfolgungsmaßnahmen in den vergangenen Jahren befasst sich die Szene immer wieder verstärkt mit den beiden Themen. Die Ursache für den wahrgenommenen „Repressionsdruck“ und eine fortschreitende Militarisierung sehen Linksextremisten im Kapitalismus. Damit sind die Themen anschlussfähig an den Gedanken des 1. Mai als „Arbeiterkampftag“, bei dem Kapitalismuskritik zu Gunsten verbesserter Arbeitsbedingungen ebenfalls stets eine zentrale Rolle spielt.